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Ein Schritt ins Leere

Ein Schritt ins Leere

Titel: Ein Schritt ins Leere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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hatte.
    «Nichts. Zufällig sprach ich eben mit Lady Frances über die Nicholsons.»
    «Sie sind Kanadier, nicht wahr?», fragte Frankie.
    «Er bestimmt. Moira halte ich für eine Engländerin; doch es ist möglich, dass ich mich täusche. Moira Nicholson ist ein entzückendes zartes Geschöpf mit großen, sehnsüchtigen Augen. Manchmal denke ich, dass sie sich nicht sehr glücklich fühlt, was mich nicht wundert. Die Umgebung, in der sie lebt, muss bedrückend wirken.»
    «Dr. Nicholson hat eine Art Sanatorium, hörte ich.»
    «Ja… für nervöse Störungen und Morphinisten oder sonst einem Rauschgift Verfallene. Er soll mit seinen Kuren gute Erfolge aufzuweisen haben. Vielleicht zwingt er den Kranken seinen Willen auf und führt so ihre Heilung herbei.»
    «Gefällt er Ihnen ebenso gut wie seine Frau?»
    «Nein», erklärte Sylvia entschieden. Und nach einem Moment setzte sie nachdrücklich hinzu: «O nein!»
    Später zeigte sie Frankie das Bild einer schönen, großäugigen Frau, das auf dem Flügel stand.
    «Das ist Moira Nicholson. Ein ansprechendes Gesicht, nicht wahr? Neulich brachten Freunde von uns einen Bekannten mit, der von ihrem Gesicht wie hypnotisiert war. Ich werde sie für morgen zum Dinner bitten, denn ich möchte Ihr Urteil über ihn hören, Frankie.»
    «Ihn?»
    «Ja. Wie gesagt, mir gefällt er nicht; und dennoch sieht er keineswegs unsympathisch aus.»
    Irgendetwas in Sylvias Ton ließ Frankie stutzen. Sie streifte sie mit einem forschenden Blick, aber Mrs Bassington-ffrench wandte sich ab und nahm ein paar vertrocknete Blumen aus der Vase.
     
    Ich muss meine Ideen mal schriftlich festhalten, dachte Frankie, als sie, mit der Toilette fürs Dinner beschäftigt, den Kamm durch ihr dichtes, dunkles Haar zog. Und dann wird’s höchste Zeit, dass ich ein paar Experimente durchführe, fügte sie entschlossen hinzu.
    War Roger Bassington-ffrench nun der Schurke, den sie und Bobby in ihm vermuteten?
    Wer den Mordanschlag auf Bobby ausgeführt hatte, musste über Morphium verfügen oder es sich leicht verschaffen können. Nun, das passte sehr gut auf Roger. Wenn sein Bruder die Morphiumvorräte per Post erhielt, würde es für Roger nicht schwer sein, ein Paket zu entwenden.
    «Merke», kritzelte Frankie auf ein Blatt Papier, «1. Es gilt herauszufinden, wo Roger Bassington-ffrench sich am 16. als Bobby vergiftet wurde, befand. 2. Ich muss ihm ein Bild des Toten zeigen und die etwaige Wirkung beobachten. Außerdem muss ich Acht geben, ob Roger zugibt, damals in Marchbolt gewesen zu sein.»
    Es fröstelte sie ein wenig bei diesem zweiten Entschluss. Deckte sie damit vielleicht ihre Karten auf…? Andererseits hatte sich die Tragödie in ihrer engsten Heimat abgespielt, und es konnte nicht überraschen, wenn sie zufällig davon sprach.
    Sie knüllte das Papier zusammen und verbrannte es sorgfältig.
    «Wissen Sie», sagte sie nachher beim Dinner zu Roger, «ich werde das Gefühl nicht los, dass wir uns schon früher mal irgendwo begegnet sind. Sogar vor gar nicht langer Zeit. Waren Sie nicht auf dem Gartenfest von Lady Shane, das sie am 16. gab?»
    «Unmöglich», fiel Sylvia ein. «Am 16. war Roger hier. Ich weiß das so genau, weil wir an jenem Tag eine Kindergesellschaft hatten und Roger aufopfernd mit den Kleinen gespielt hat.»
    Sie lächelte ihren Schwager dankbar an, und er lächelte zurück.
    Über den einen Punkt herrscht also Klarheit, dachte Frankie. Roger Bassington-ffrench war am Tag von Bobbys Vergiftung nicht in Wales.
    Den zweiten Punkt schnitt sie etwas später an, als sie vom Landleben sprach, seiner Eintönigkeit und dem Interesse, das man infolgedessen jedem außergewöhnlichen Vorkommnis entgegenbrächte.
    «Vergangenen Monat fiel bei uns ein Mann über die Klippen», plauderte sie. «Und uns alle regte die Sache so auf, als sei sie ein welterschütterndes Ereignis. Aufs Äußerste gespannt ging ich zu der amtlichen Leichenschau, aber ehrlich gestanden kam meine Neugier nicht auf ihre Kosten.»
    «Geschah das vielleicht in Marchbolt?», fragte Sylvia plötzlich.
    Frankie nickte. «Schloss Derwent liegt nur sieben Kilometer von Marchbolt entfernt», setzte sie erläuternd hinzu.
    «Roger, das muss dein Mann gewesen sein!», rief Sylvia, woraufhin Frankie ihren Tischnachbarn mit gut gespieltem Erstaunen anblickte.
    «Ich war nämlich dort, als es geschah», erklärte er ihr, «blieb sogar bei dem Toten, bis die Polizei kam.»
    «Oh – ich dachte, einer von den Söhnen des Marchbolter

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