Ein Schritt ins Leere
hatten.
Verschiedentlich erwähnte Mrs Bassington-ffrench ihren Gatten und ihren kleinen Sohn Tommy. Fraglos hing sie mit ganzem Herzen an ihrem Heim, und dennoch trat bisweilen ein ängstlicher Ausdruck in ihre Augen, als wäre ihr Glück irgendwie getrübt.
Am dritten Tag stand Lady Frances Derwent auf und lernte den Herrn des Hauses kennen – ein großer Mann, liebenswürdig, zuvorkommend, aber ein wenig zerstreut. Er verbrachte offenbar die meiste Zeit in seinem Studierzimmer, schien aber trotz seiner einsiedlerischen Neigungen seine Frau sehr zu lieben.
Tommy, der blond gelockte, muntere Knabe, war sieben Jahre alt und wurde von Sylvia Bassington-ffrench vergöttert.
«Es ist hübsch hier», sagte Frankie mit einem Seufzer. Sie lag auf einem bequemen Liegestuhl im Garten. «Ich weiß nicht, ob es die Erschütterung ist, die mein Kopf aushalten musste, oder etwas anderes – jedenfalls habe ich ein merkwürdiges Verlangen nach Ruhe. Ich möchte Tage und Tage hier so liegen.»
«Tun Sie es», entgegnete Sylvia in ihrem ruhigen, arglosen Ton. «Wirklich, ich meine es ganz ernst. Warum wollen Sie so schnell in das Gehetze und Getriebe der Stadt zurück…? Für mich ist es ein großes Vergnügen, Sie bei mir zu haben. Sie sind so lustig und amüsant. Ihre Gegenwart heitert mich auf.»
Also braucht sie Aufheiterung, lautete die Schlussfolgerung, die Frankie aus dem Gesagten zog. Gleichzeitig schämte sie sich ihrer Unaufrichtigkeit.
«Ich habe das Gefühl, dass wir schon richtig gute Freundinnen geworden sind», setzte Mrs Bassington-ffrench hinzu. Und Frankie schämte sich noch mehr.
Es war gemein, was sie tat… gemein… gemein… gemein. Sie wollte die Sache aufgeben, in die Stadt zurückfahren. Doch da sprach die Dame des Hauses weiter: «Und fürchten Sie nicht, dass es allzu eintönig sein wird. Morgen kommt mein Schwager. Er wird Ihnen sicher gefallen. Jeder hat Roger gern.»
«Lebt er ständig bei Ihnen?»
«Hin und wieder. Er ist ein ruheloser Mensch. Den Tunichtgut der Familie pflegt er sich selbst zu nennen, und in gewissem Sinn hat er Recht. Ihm fehlt jede Ausdauer; ich glaube, dass er in seinem ganzen Leben noch nie richtig gearbeitet hat. Bei alten Familien findet man häufig einen Spross wie ihn. Und gewöhnlich sind es Leute mit viel Charme. Roger ist außerdem sehr hilfsbereit. Ich wüsste wirklich nicht, was ich ohne ihn gemacht hätte, als Tommy dieses Frühjahr krank war.»
«Tommy ist krank gewesen? Dieser gesunde Junge?»
«Er fiel von der Schaukel. Sie muss an einem morschen Ast befestigt gewesen sein, der unter seinem Gewicht nachgab. Mein Schwager war außer sich, weil er das Kind gerade schaukelte, als das Unglück geschah… hoch in die Luft, wie es die Kleinen lieben. Zunächst glaubten wir, Tommys Rückgrat sei schwer verletzt worden; aber endlich genas er, ohne dass ein dauernder Schaden zurückblieb.»
«Frischer und gesünder als er kann man kaum sein», lächelte Frankie, als sie in der Entfernung ausgelassenes Kindergekreisch hörte.
«Wenn Sie wüssten, wie glücklich ich darüber bin! Es war nicht der erste Unfall, der ihm zustieß. Vergangenen Winter wäre er beinahe ertrunken.»
«Tatsächlich?», sagte Frankie nachdenklich.
Sie dachte nicht mehr daran, in die Stadt zurückzukehren – das Gefühl von Schuld gegenüber ihrer Gastgeberin war wie vom Winde verweht.
Unfälle…! Waren Unfälle Rogers Spezialität?
«Wenn Ihre Einladung wirklich von Herzen kommt, würde ich ganz gern noch ein Weilchen bei Ihnen bleiben», sagte sie zu Sylvia. «Aber wird Ihr Gatte nichts dagegen einzuwenden haben?»
«Henry?» Mrs Bassington-ffrenchs Lippen kräuselten sich merkwürdig. «Nein. Henry hat bestimmt nichts dagegen. Ihm ist das alles gleichgültig – letzten Endes.»
Frankie sah die Sprecherin verstohlen an.
Sie hätte noch mehr gesagt, wenn sie mich besser kennen würde, überlegte sie im Stillen. Ich glaube, in diesem Haushalt ist manches nicht in Ordnung.
Zum Tee gesellte sich auch Sylvias Gatte zu ihnen, und Frankie beobachtete ihn aufmerksam. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Kein besonders aufregender Typ: jovialer, sportliebender Landedelmann. Aber so ein Mann sollte eigentlich nicht nervös zuckend dasitzen; nicht bald in lang anhaltendes dumpfes Brüten verfallen, bald auf alles, was man zu ihm sagte, mit bitteren, sarkastischen Worten antworten. Freilich zeigte er sich nicht immer von dieser Seite. Später am Abend, beim Dinner, war er aufgeräumt,
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