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Ein Schritt ins Leere

Ein Schritt ins Leere

Titel: Ein Schritt ins Leere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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rasend zu hämmern begann.
    «Ja. Mein Kollege, der Sie hier ins Haus schaffte, muss ein schnurriger Kauz sein. Man wendet doch nicht seinen Wagen, ehe man einem Verunglückten zu Hilfe eilt!»
    «Ich verstehe nicht, Dr. Nicholson.»
    «Natürlich nicht. Sie waren ja bewusstlos. Aber der junge Reeves, der Radfahrer, kam von Staverley und wurde von keinem Auto überholt. Nichtsdestoweniger sieht er, als er um die Ecke biegt und bei der Unfallstelle anlangt, wie der Wagen des Arztes in Fahrtrichtung London steht. Verstehen Sie, Lady Frances? Da der Doktor nicht von Staverley gekommen ist, muss er den Berg hinabgefahren sein. In diesem Fall hätte sein Kühler aber Richtung Staverley weisen müssen, was er nicht tat. Mithin ist der Wagen gewendet worden.»
    «Sofern er Staverley nicht schon vor Ihrem jungen Reeves verlassen hatte», gab Frankie zu bedenken.
    «Dann würde sein Wagen schon an der fraglichen Stelle gestanden haben, als Sie bergab sausten. Stand er denn dort?» Die klugen Augen hinter den dicken Gläsern blickten Frankie forschend an.
    «Ich erinnere mich nicht.»
    «Jaspers, du fragst wie ein Detektiv», rügte Mrs Nicholson. «Und alles um nichts.»
    «Kleine Dinge interessieren mich eben», verteidigte sich ihr Gatte und verwickelte nun die Hausherrin in ein Gespräch.
    Warum dieses Verhör?, grübelte Frankie. «Kleine Dinge interessieren mich», hatte er gesagt. Oder steckte mehr dahinter?
    Ihr fiel der blaue Talbot ein, zugleich der Umstand, dass auch Carstairs Kanadier gewesen war. Und es schien ihr, als sei Dr. Nicholson ein finsterer, unheimlicher Mann.
    Nach dem Dinner mied sie seine Gesellschaft und schloss sich an die zarte, sanfte Mrs Nicholson an, deren schwermütige Augen fast ständig ihrem Mann folgten – aus Liebe oder Furcht…? Nicholson widmete sich der Hausherrin, und um halb elf gab er seiner Frau ein Zeichen, das zum Aufbruch mahnte.
    «Na, was halten Sie von unserem Doktor?», fragte Roger Bassington-ffrench, als der blaue Talbot mit seinen Besitzern abgefahren war. «Eine sehr energische Persönlichkeit, wie?»
    «Mir geht es wie Sylvia», erwiderte Frankie. «Ich mag ihn nicht besonders; sie gefällt mir viel mehr.»
    «Hübsch, aber ziemlich beschränkt», urteilte Roger. «Entweder betet sie ihn an, oder sie ängstigt sich vor ihm wie die Maus vor der Katze. Ich weiß nicht, was stimmt.»
    «Trotzdem kann ich nicht leugnen, dass eine ungeheure Kraft von ihm ausgeht», mischte sich Sylvia in das Zwiegespräch. «Ich glaube, er hat sogar schon völlig hoffnungslose Fälle von Morphiumsucht geheilt.»
    Jäh fuhr Henry Bassington-ffrench aus seiner Apathie auf.
    «Ja», rief er, «und weißt du, was sich hinter den Mauern seiner Anstalt abspielt? Hast du eine Ahnung von den Folterqualen? Einem Mann, der an irgendein Narkotikum gewöhnt ist, entziehen sie es von heute auf morgen, bis er vor Schmerzen irrsinnig wird und mit dem Kopf gegen die Wand rennt! Das ist die brutale Methode deines kraftvollen Doktors! Er martert die Leute, bereitet ihnen Höllenqualen, treibt sie dem Wahnsinn in die Arme…» Er zitterte am ganzen Körper. Plötzlich machte er kehrt und stürmte aus dem Zimmer.
    «Was hat Henry?», sagte Sylvia erschrocken. «Warum geriet er so außer sich?»
    Roger und Frankie wagten nicht, sich anzusehen.
    «Er gefiel mir bereits den ganzen Abend nicht», meinte Frankie endlich. «Vielleicht hat er Migräne.»
    «O Frankie, ich sorge mich schon seit Längerem um ihn und wünschte, er hätte das Reiten nicht aufgegeben. Da fällt mir ein: Dr. Nicholson hat Tommy für morgen eingeladen. Sehr lieb ist es mir zwar nicht, wenn der Kleine in das Haus geht, das alle diese merkwürdigen Kranken beherbergt.»
    «Der Doktor wird gewiss dafür sorgen, dass Tommy nicht mit ihnen in Berührung kommt», entgegnete Roger. «Er scheint sehr kinderlieb zu sein.»
    «Ja. Sicher leidet er darunter, dass er keine eigenen Kinder hat. Und Moira vermutlich auch. Sie sieht so traurig aus und so zart und zerbrechlich.»
    «Sie gleicht einer traurigen Madonna», sagte Frankie.
    «Richtig. Es gibt keine bessere Beschreibung für sie.»
    «Wenn Dr. Nicholson ein solcher Kindernarr ist, nahm er wohl auch an Tommys Fest am 16. teil, wie?»
    «Nein, Frankie», erwiderte Sylvia Bassington-ffrench. «Damals war er für ein oder zwei Tage fort. Eine Konferenz in London oder dergleichen.»
    «Ach so!»
    Bevor Lady Frances Derwent sich an diesem Abend schlafen legte, schrieb sie an Bobby.

15
    L ieber

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