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Ein Schritt ins Leere

Ein Schritt ins Leere

Titel: Ein Schritt ins Leere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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zu, dass man mich wieder zurückbringt!› schrie die Unglückselige. Es schnitt einem ins Herz, Mr Hawkins. Aber sie brachten sie doch wieder zurück. Nicholson erklärte, sie litte an Verfolgungswahn, bildete sich ein, alle Welt sei hinter ihr her. Weiß man, ob’s stimmt…?»
    Nun gab jeder der Anwesenden seine Meinung zum Besten, und jeder drückte seine Skepsis aus in Bezug auf Nervenanstalten im Allgemeinen und die von Dr. Nicholson im Besonderen. Schließlich löste sich die Runde auf, und Bobby bekundete seine Absicht, noch einen kleinen Spaziergang zu machen.
    Er wandte seine Schritte in die Richtung, wo der Birkenhof lag. Was er heute Abend gehört hatte, erschien ihm interessant. Allerdings hegen Dörfler gegen jeden Neuankömmling Vorurteile, und das umso mehr, wenn der Fremde einer anderen Nationalität angehört. Aber die Geschichte von dem entflohenen und wieder eingefangenen Mädchen ließ ihn nicht los. Wenn nun der Birkenhof wirklich ein Ort war, wo Leute gegen ihren Willen festgehalten wurden? Eine Reihe von Fällen echter Nervenkrankheit diente vielleicht als Deckmantel…
    Es dauerte nicht lange, so stand Bobby vor einem schmiedeeisernen Tor, das in eine hohe Mauer eingelassen war. Vorsichtig versuchte er, die Klinke niederzudrücken. Verschlossen!
    Warum auch nicht…? Die meisten Parktore werden abends gegen unbefugte Eindringlinge gesichert.
    Ganz jedoch verscheuchte diese Überlegung das unbehagliche Gefühl nicht. Bobby betrachtete die hohe, glatte Mauer, die keine das Hinüberklettern erleichternden Risse und Spalten aufwies, und schritt langsam an ihr entlang. Plötzlich stand er vor einem Pförtchen. Ohne wirkliche Hoffnung versuchte er auch hier sein Heil. Und siehe da! Die kleine Pforte war nicht verschlossen.
    «Dich hat man übersehen!», schmunzelte Bobby.
    Er schlüpfte hindurch und zog die Tür wieder vorsichtig zu. Ein schmaler Pfad führte von ihr fort durch dichtes Buschwerk, wand und drehte sich, machte nochmals einen scharfen Knick und mündete unerwartet auf einen freien Platz dicht beim Haus. Es war eine klare Nacht, und ehe Bobby sich’s versah, war er in das volle Licht des Mondes geraten. Im selben Moment bog eine Frauengestalt um die Hausecke. Sie bewegte sich sehr behutsam vorwärts – wie es Bobby schien, mit der nervösen Behändigkeit eines gejagten Tieres. Nun hielt sie jäh inne, stand erst stocksteif da und schwankte dann, als wäre sie dem Umsinken nahe.
    Bobby Jones stürzte auf sie zu und fing sie auf. Ihre Lippen zitterten, und ihm schien, als habe er noch nie zuvor eine so entsetzliche Angst auf einem menschlichen Angesicht gesehen.
    «Ich… fürchte mich», murmelte die Unbekannte. «Fürchte mich so unsagbar.»
    «Weshalb denn?»
    Die junge Frau schüttelte den Kopf und wiederholte: «Ich fürchte mich.»
    Plötzlich schien sie irgendeinen Laut vernommen zu haben. Sie riss sich los, lauschte…
    «Gehen Sie fort!», drängte sie. «Schnell, schnell!»
    «Ich möchte Ihnen helfen.»
    «Wirklich?» Sie betrachtete ihn aufmerksam. Es war als wolle sie in seiner Seele lesen. «Niemand kann mir helfen», klang es trostlos.
    «Doch, ich kann es. Sagen Sie mir, was Sie so erschreckt.»
    «Nicht jetzt. Oh, schnell – sie kommen! Sie können mir nur helfen, wenn Sie jetzt gehen. Bitte, bitte!»
    Bobby fügte sich. Nach einem gewisperten «Ich wohne im ‹Anglers’ Arms›» lief er auf dem schmalen Pfad zurück. Das Letzte, was er von der Frau sah, war eine Geste, die zur Eile mahnte.
    Plötzlich vernahm er Schritte. Jemand kam ihm von dem Pförtchen her entgegen. Ohne sich zu besinnen, kroch Bobby in das Buschwerk. Er hatte sich nicht geirrt.
    Ein Mann tauchte auf, schritt dicht an ihm vorüber, aber die Dunkelheit gestattete nicht, sein Gesicht zu erkennen.
    Nach zwei Minuten verließ Bobby seinen Schlupfwinkel. Er fühlte, dass er diese Nacht nichts mehr unternehmen konnte. Außerdem wirbelte ihm der Kopf.
    Denn jene verängstigte Frau war das Original des Bildes, das er bei dem verunglückten Alex Pritchard gesehen hatte…

16
     
    D er herrschaftliche Chauffeur ließ sich gerade ein reichliches Frühstück munden, als man ihm mitteilte, er würde am Telefon verlangt. Rasch spülte Bobby Schinken und Ei mit einem Schluck Kaffee hinunter und ging dann an den Apparat, der sich in einem kleinen, dunklen Gang befand.
    «Hallo!», hörte er Frankies Stimme.
    «Hallo, Frankie!», rief Bobby unvorsichtig zurück.
    «Hier Lady Frances Derwent», erwiderte die

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