Ein Schritt ins Leere
der Lage, mir die Adresse von Mr Cayman zu geben? Er wohnte bis vor kurzem St. Leonhards Gardens Nummer 17.»
«Ganz recht», erwiderte der junge Mann. «Allerdings wohnte er dort nicht lange. Mr Cayman mietete das Haus für ein Vierteljahr, da er wegen einer Stellung im Ausland verhandelte. Mir scheint, die Sache ist auch perfekt geworden.»
«Dann ist Ihnen seine Adresse nicht bekannt?»
«Bedaure.»
«Aber er muss doch eine Adresse angegeben haben, ehe er das Haus bezog.»
«Ein Hotel. Soweit ich mich erinnere, ein Hotel nahe dem Paddington-Bahnhof.»
«Referenzen?»
«Nein. Er zahlte die Miete für ein Vierteljahr im Voraus und hinterlegte einen Betrag für Strom und Gas.»
«Oh!», sagte Frankie, und es klang recht verzweifelt.
Der junge Mann betrachtete sie mit neugierigem Staunen. Häusermakler besitzen eine gewisse Übung darin, den sozialen Stand ihrer Kunden zu erraten, und offenbar fand er Frankies Interesse für die Caymans sehr sonderbar.
«Cayman schuldet mir eine beträchtliche Menge Geld», schwindelte Frankie.
Sofort nahm das Gesicht des Jünglings einen entsetzten Ausdruck an. Hilflose Schönheit erregte sein Mitgefühl, und daher stöberte er Bündel von Korrespondenzen durch und gab sich alle erdenkliche Mühe. Doch kein Hinweis auf Mr Caymans gegenwärtigen oder früheren Aufenthalt wurde gefunden.
Frankie versicherte ihn ihres wärmsten Dankes und ging wieder. Sie nahm ein Taxi und fuhr zu der nächsten Maklerfirma, bei der sie ein anderes Verfahren anwandte. Sie gab an, das Haus besichtigen zu wollen. Diesmal bannte sie den Ausdruck der Überraschung, den sie auch hier auf dem Gesicht des Geschäftsführers gewahrte, indem sie ihm auseinandersetzte, dass sie ein billiges Grundstück für eine wohltätige Stiftung suche. Die Überraschung machte Verständnis Platz, und Frankie erhielt den Schlüssel von Nummer 17 St. Leonhards Gardens und überdies die Schlüssel von zwei weiteren wohlfeilen Häusern ausgehändigt, die sie keineswegs zu besichtigen gedachte.
Ein Glück, dass man mir nicht einen Begleiter aufgedrängt hat!, dachte Frankie, aber vielleicht ist das nur bei möblierten Häusern üblich.
Als sie die Haustür von Nummer 17 aufschloss, stieg ihr gleich der muffige, schale Geruch eines ungelüfteten Gebäudes in die Nase.
Was sich ihrem Blick dann bot, war hässlich und billig. Schlechte Tapeten und blasiger, schmutziger Ölfarbenanstrich. Frankie durchsuchte das Haus systematisch vom Boden bis zum Keller. Die Caymans hatten es vor ihrer Abreise nicht gesäubert. Alte Zeitungen lagen herum, krumme Nägel, Hammer und Zange. Doch auf persönliches Hab und Gut stieß Frankie nicht.
Eigentlich selbstverständlich!, tröstete sie sich. Wenn Mr und Mrs Cayman sich gegen das Gesetz vergangen hatten, würden sie sich hüten, etwas zurückzulassen, das auf ihre Spur führen könnte.
Trotzdem war Frankie irgendwie enttäuscht, als sie die Schlüssel dem Makler zurückbrachte und unwahre Versicherungen äußerte, dass er in den nächsten Tagen von ihr hören würde.
Niedergeschlagen wanderte sie durch die Straßen und überlegte, was sie jetzt noch anfangen könnte. Dieses fruchtlose Grübeln wurde durch einen heftigen Platzregen unterbrochen. Weit und breit war kein Taxi in Sicht, und da Frankie einen ihrer Lieblingshüte trug, den sie vor Vernichtung bewahren wollte, eilte sie in die nahe U-Bahn, löste eine Fahrkarte bis Piccadilly Circus und kaufte am Bücherstand ein paar Zeitungen.
Entschlossen riss sie sich von dem quälenden Problem der Ermordung Alan Carstairs’ los und schlug die Zeitung auf. Und während der Zug durch die Unterwelt brauste, überflog sie das Blatt.
Wettervorhersagen. Ein Autounfall. Geheimnisvolles Verschwinden einer Schülerin. Lady Petterhamptons Gartenfest. Sir John Milkingtons Genesung nach seinem Jachtunglück… die «Astradora»… die berühmte Jacht, die vordem Mr John Savage, dem Millionär, gehört hatte. War sie ein Schiff, das Unheil brachte? Ihr Erbauer hatte einen frühzeitigen, tragischen Tod gefunden – ihr erster Besitzer Mr Savage, endete durch Selbstmord – Sir John Milkington war wie durch ein Wunder dem Tod entgangen… Frankie ließ die Zeitung sinken.
Zweimal hatte sie den Namen John Savage letzthin erwähnen hören. Einmal von Sylvia Bassington-ffrench, als diese über Alan Carstairs sprach, und einmal von Bobby, als dieser seine Unterhaltung mit Mrs Rivington wiederholte.
Alan Carstairs war ein Freund von John Savage
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