Ein Schritt ins Leere
seine Brust schwoll an vor Entrüstung – «irgendein Schwindler hat sich als Mr Spragge ausgegeben und als solcher einen Besuch abgestattet. Vielleicht auch mehrere. Was sagen Sie dazu, Lady Frances?»
Doch Lady Frances, von einem panischen Schrecken ergriffen, vermochte überhaupt nichts zu sagen.
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E ndlich stammelte sie: «Wie haben Sie es herausbekommen?»
Es war durchaus nicht das, was sie zu sagen beabsichtigt hatte. Nein, eine Sekunde später hätte sie sich wegen ihrer Dummheit am liebsten die Zunge abgebissen. Aber die Worte waren gesprochen, und Mr Spragge hätte kein Rechtsanwalt sein müssen, um nicht zu bemerken, dass sie ein Eingeständnis enthielten.
«Ah… Sie wissen also von der Sache, Lady Frances?»
«Ja.» Sie holte tief Atem und bekannte dann ehrlich: «Ich habe sie sogar eingefädelt, Mr Spragge.»
«Lady Frances, wie ist das möglich…!» In seiner Stimme klang der Streit wider, den der beleidigte Jurist gegen den väterlichen Familienanwalt führte.
«Es war ein Scherz», erklärte Frankie matt. «Wir… wir wollten irgendetwas aushecken.»
«Und wer hat sich dazu hergegeben, mich zu verkörpern?» Frankie sah den Frager an, und ihr Kopf arbeitete wieder klar. «Der junge Herzog von…», begann sie und brach sofort wieder ab.
«Nein – ich darf keine Namen nennen. Es wäre unfair.» Aber sie merkte, dass der Wind sich zu ihren Gunsten gedreht hatte. Ob Mr Spragge eine solche Dreistigkeit dem Sohn eines Pfarrers verziehen haben würde, konnte man immerhin bezweifeln; aber seine Schwäche für den alten Adel ließ ihm die Frechheit eines Herzogs in milderem Licht erscheinen.
«Oh, ihr übermütiges Volk!», murmelte er, mit dem Zeigefinger drohend. «Unbesonnenes junges Volk! In was für Gefahren begebt ihr euch…! Sie würden über die juristischen Verwicklungen, die aus einem anscheinend harmlosen Ulk entstehen können, staunen, Lady Frances. Nichts als ein Ulk – ja! Aber vor Gericht ist er bisweilen furchtbar schwierig beizulegen.»
«Mr Spragge. Sie sind ein wunderbarer Mensch!», sagte Frankie bewundernd. «Keiner unter Tausenden hätte es so aufgenommen wie Sie. Ich bin ganz beschämt.»
«Nein, nein, Lady Frances», wehrte Mr Spragge väterlich ab.
«Doch. Vermutlich kam unser schändlicher Streich durch die Rivington ans Tageslicht, wie? Was hat sie Ihnen denn erzählt?»
«Ich glaube, der Brief ist noch hier. Vor einer halben Stunde erst hab ich ihn geöffnet.»
Frankie streckte die Hand aus, und Mr Spragge legte den Brief mit der Miene eines Mannes hinein, der vorwurfsvoll sagt: Da – sieh selber, zu welcher Torheit du dich hast verleiten lassen!
Sehr geehrter Mr Spragge!
Es ist wirklich zu dumm von mir, aber ich habe mich gerade erst wieder an etwas erinnert, das Ihnen an dem Tag als Sie mich b e suchten, möglicherweise hätte helfen können. Alan Carstairs e r wähnte, dass er nach einem Gut oder Landhaus Chipping Some r ton wollte. Es sollte mich freuen, wenn Ihnen mit dieser Au s kunft noch nachträglich gedient wäre.
Ich benutze diese Gelegenheit, um Ihnen nochmals zu sagen, wie sehr mich das interessiert hat, was Sie mir über den Maltravers-Fall erzählten.
Mit freundlichen Grüßen
Edith Rivington
«Begreifen Sie nun, dass ich eine äußerst fragwürdige Sache witterte?», fragte Mr Spragge streng – mit einer durch Wohlwollen gemäßigten Strenge. «Ob es den Maltravers-Fall betrifft oder meinen Klienten Mr Carstairs…»
«Wie? Mr Carstairs war Ihr Klient?», fiel Frankie erstaunt ein.
«Gewiss. Er konsultierte mich, als er vor einem Monat in England war. Kennen Sie ihn, Lady Frances?»
«Ich denke, das darf ich ruhigen Gewissens bejahen!»
«Eine sehr fesselnde Persönlichkeit. Er brachte eine Atmosphäre von endlosen Weiten in mein Büro.»
«Nicht wahr, er hat Sie wegen Mr Savages Testament um Rat gefragt?»
«Oh, dann sind Sie es also gewesen, die ihn zu mir schickte, Lady Frances?», rief der Anwalt erfreut. «Es tat mir leid, dass ich nicht mehr für ihn tun konnte.»
«Was rieten Sie ihm denn…? Oder sind Sie zur Verschwiegenheit verpflichtet?»
«In diesem Fall nicht», lächelte Mr Spragge. «Meine Meinung war, dass man da nichts machen könne. Nichts! Sofern nicht Mr Savages Verwandte bereit wären, eine erkleckliche Summe für die Durchfechtung des Prozesses auszuwerfen, was sie vermutlich weder wollten noch konnten. Ich rate nur dann zur Einleitung einer Klage, wenn der Erfolg sozusagen verbürgt ist. Das
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