Ein Schuss Liebe kann nicht schaden
Seite des Hofs wachte schon der Hahn auf.
Guten Morgen, Herr. Ich finde es wunderschön, wie du diesen Tag anfängst – mit all den schönen goldenen und rosafarbenen Strahlen, die über den Himmel ziehen. Es ist fast so, als hättest du einen Farbkasten, mit dem du jeden Tag ein neues Bild malst. Eins schöner als das letzte. Da verschlägt es mir manchmal richtig den Atem. Dafür lobe ich dich. Und, Herr, mittlerweile habe ich verstanden, warum du mich hierher gebracht hast. Die Leute hier – die brauchen eine helfende Hand. Und eigentlich nicht nur eine Hand – jedenfalls nicht nur meine. Sie brauchen dich ganz dringend. Die Bibel sagt, dass du mit Adam und Eva im Garten spazieren gegangen bist. Das ist zwar nicht meine Farm hier, aber trotzdem bitte ich dich, mit mir durch diesen Garten hier zu gehen. Mach mein Herz ganz still, damit ich hören kann, was du hier von mir willst und was ich zu den Leuten sagen soll.
Die Tür öffnete sich. „Miss Ladley? Sie sind wieder früh auf!“
Hope drehte sich um. „Ich mag den Sonnenaufgang so gern. Für mich ist das der schönste Teil des Tages. Der Himmel ist so herrlich. Am liebsten würde ich mir einen von den rosa Streifen dort oben herunterholen.“ Sie stand auf und klopfte den Staub von ihrem Kleid.
Erst dachte sie, er hätte sie nicht gehört, aber dann hob er langsam eine Augenbraue.
„Sie haben meine Frage gestern Abend nicht beantwortet. Wegen der Pfirsiche. Bringen Sie die Pfirsiche in die Stadt oder werden sie in den Zug geladen und weiter weg verkauft? Damit könnten Sie jedenfalls viel Geld verdienen.“
„Montag.“ Er ging an ihr vorbei in Richtung Stall.
Das machte Sinn. Wenn er heute den ganzen Tag Pfirsiche pflückte und verpackte, müsste er doch bis morgen warten, um sie wegzubringen – und am Samstag Früchte zum Zug zu bringen wäre verrückt.
„Oh!“ Hope rannte hinter ihm her. „Mr Stauffer!“
Er drehte sich um.
Sie hielt kurz vor ihm im Laufen inne. „Ich wollte Sie etwas fragen – das Arbeitszimmer, das Sie haben, ist ein wundersamer Ort, und ich hoffe, meine Frage ist nicht beleidigend, aber Ihre Schwester ...“ Sie atmete tief ein. „Eine Frau in den letzten Monaten einer Schwangerschaft muss nachts ziemlich oft raus. Diese nächtlichen Gänge nach draußen sind ziemlich anstrengend für Ihre Schwester. Ich würde immer dafür sorgen, dass der Nachttopf als Erstes jeden Morgen geleert wird, wenn es Ihnen nichts ausmacht, dass er in der Nacht in Ihrem Arbeitszimmer steht.“
Ein kurzes Nicken, dann drehte er sich wieder um und ging.
Hope schaute sich im Hof um und stampfte kurz mit dem Fuß auf. „Es hat ihm wohl die Sprache verschlagen.“
* * *
„Ich habe darüber nachgedacht, was wir schon vor der Ernte an Essen für die Männer vorbereiten könnten.“ Hope stellte das letzte Gitter mit Pfirsichen auf den großen Stapel und deckte das Ganze mit einem Netz zu, damit die Insekten nicht an die Pfirsiche kamen. „Ich denke, wir können einen Haufen Nudeln im Voraus machen und trocknen. Was meinen Sie?“
„Das ist eine gute Idee.“
„Gut. Wir brauchen viele Eier für die Nudeln, aber das Hühnerhaus ist voller Eier. Hätten Sie es lieber, dass Emmy-Lou mit mir kommt, wenn ich die Hühner füttere und im Garten arbeite, oder soll sie lieber mit Ihnen nach Eiern suchen?“
„Ich kann die Hühner füttern. Sie sind genügsam und gute Scharrer. Wir müssen ihnen nicht so viel Futter geben wie den modernen neuen Züchtungen.“ Mrs Erickson nahm Emmy-Lou bei der Hand.
„Oh ja. Dominiques sind eine gute, alte Hühnerrasse. Sie schmecken vorzüglich und legen große, braune Eier. Ich mochte schon immer die braunen Eier lieber.“ Hope ging mit ihnen zum Hühnerstall. „Du kannst dir nicht vorstellen, was ich im Frühling gehört habe.“
Emmy-Lou trabte neben ihnen her. „Was?“
„Es gibt einen Mann oben in New Jersey, der heißt Wilson. Dieser Mann hat sich einen Brutkasten gebaut, in den vierhundert Eier passen. Frisch geschlüpfte Küken brauchen ja eineinhalb Tage nichts zu fressen und zu trinken, und so kann er die Küken mit dem Zug bis nach Chicago verschicken!“
„Das gibt’s doch nicht!“ Mrs Erickson machte ein besorgtes Gesicht. „Die armen Küken.“ – „Sie waren schon mal in Chicago?“ Emmy-Lou legte die Stirn in Falten. „Ist das so weit weg wie Dallas?“
„Ich war schon mal in Dallas, aber noch nie in Chicago. Das ist nämlich noch viel, viel weiter weg. Aber eine Frau von
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