Ein Schuss Liebe kann nicht schaden
ab und stellte Schüsseln mit geschnittenen Pfirsichen vor jeden hin. Dann holte sie ein Kännchen mit Sahne aus einem Schrank, in dem ein 50-kg-Block mit Eis lagerte. Hope goss die kühle, frische Sahne auf Emmy-Lous Obst. „Die Sahne von Ihren Kühen ist genau richtig – fett und süß. Möchte noch jemand Sahne?“
Phineas und Annie bejahten das. Jakob merkte, dass Hope es immer wieder schaffte, seine Schwester zum Essen zu bringen. Wahrscheinlich bildete er sich das nur ein, aber Annie sah in den letzten Tagen nicht mehr so dünn und bleich aus.
Sie beteten nach dem Essen, dann gingen Phineas und Jakob wieder nach draußen, um die längeren, hellen Abendstunden zu nutzen. Immer wenn er in Sichtweite des Hauses war, warf Jakob einen Blick dorthin. Hope wässerte großzügig die andere Hälfte des Gartens. Wenn es nicht so heiß wäre, würde das die Wurzeln zum Verrotten bringen. Doch sie war sicher noch nicht fertig mit dem Garten, als er sie an der Wäscheleine sah. Geschirrtücher, Unterwäsche und Taschentücher – aber keine Betttücher. Außerdem hingen noch seine Halstücher immer abwechselnd auf der Leine – rot-blau-rot-blau.
Naomi hatte immer erst die roten und dann die blauen zusammen aufgehängt.
Jakob schüttelte den Kopf, um die Erinnerung loszuwerden und sich auf das Problem zu konzentrieren. Selbst wenn Hope nicht wusste, dass eigentlich Montag Waschtag war, machte es keinen Sinn, dass sie das Wasser kochte und dann doch nur einen Teil der Wäsche wusch. Und warum abends? Die Sachen waren dann doch noch nicht trocken, wenn sie sie wieder abhängen musste.
Als er endlich wieder ins Haus kam, war Emmy-Lou schon im Bett. Annie saß am Tisch und fädelte grüne Bohnen auf, die in einem Sieb vor ihr standen. Sie schaute kurz von ihrer Arbeit hoch. „Die Bohnen sind schon reif.“
Er nickte. Schon als er noch ein kleiner Junge war, hatte seine Mutter die grünen Bohnen auf dieselbe Weise getrocknet. Blanchiert und dann aufgefädelt trockneten die Bohnen immer gut. Manchmal nannte man die trockenen und verschrumpelten Bohnen auch „Lederhosen“. Im Winter konnte man die Bohnen in Eintöpfen oder Aufläufen mitkochen. Sie wurden dann wieder rund und zart und lecker. Das Fädeln war keine schwere Arbeit, und Jakob war erleichtert, dass Hope etwas Sinnvolles aber nicht zu Anstrengendes für seine müde Schwester gefunden hatte.
„Wo ist Hope?“
„Ich bin mir nicht sicher. Sie ist hinausgegangen. Vielleicht in den Garten oder ins Brunnenhaus. Oh – vielleicht ist sie auch zu Hattie gegangen. Sie liebt ihren Maulesel wirklich.“ Annie legte die Bohnen zur Seite und wollte aufstehen. „Brauchst du irgendwas? Ich hätte dich gleich fragen sollen. Es tut mir leid –“
„Bleib sitzen, Annie.“ Sobald die Worte gesprochen waren, bereute Jakob seinen scharfen Ton. Mit sanfter Stimme fügte er hinzu: „Du musst dich für nichts entschuldigen. Es ist gut – gut, dass du ‚Lederhosen‘ machst.“
Sie brachte nur ein schiefes Lächeln zustande.
„Wie geht es dir denn mit unserer neuen Hilfe?“
„Okay.“
Jakob beobachtete, wie Annie wieder an ihrer Unterlippe kaute. „Annie, ich habe Hope ganz deutlich gesagt, dass du die Frau in meinem Haus bist, und dass sie nur so lange bleiben kann, wie du das willst. Wenn es ein Problem gibt, dann musst du es mir nur sagen, und ich werde mich darum kümmern.“
Annies Augen weiteten sich. „Sie arbeitet hart. Ich schäme mich richtig, dass ich nur so wenig mache. Sie macht ihre ganze Arbeit und auch noch den größten Teil von meiner.“
So wie das Haus aussah, konnte er Annie nicht recht geben, aber er wollte ihr nicht widersprechen.
Annie griff wieder nach den Bohnen und fädelte hektisch ein paar davon auf. „Ich werde mich mehr bemühen. Ganz sicher. Es tut mir leid –“
„Annie, nein.“ Er legte eine Hand unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht, sodass er ihr in die Augen schauen konnte. Bei dieser kleinen Berührung zuckte sie so heftig zusammen, dass es ihm tief ins Herz schnitt. Aber er tat so, als sei nichts geschehen. „Hope ist hier, um dir zu helfen, Annie. Es freut mich, dass sie so hart arbeitet. Emmy-Lou scheint sie jedenfalls sehr zu mögen.“
Annie nickte. „Emmy-Lou liebt sie und vertraut ihr, wie es ein Kind nur kann.“
In den Worten seiner Schwester schwang eine unaussprechliche Traurigkeit mit. Jakob konnte nicht antworten, ohne die Situation noch schlimmer zu machen, deshalb räusperte er sich. „Ich muss mich
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