Ein Schuss Liebe kann nicht schaden
losgegangen.“
Annie befeuchtete nervös ihre trockenen Lippen.
Jetzt musste Hope Annie wieder ein bisschen ablenken. „Ich glaube, ich kann schon die ersten Staubwolken da hinten sehen. Wahrscheinlich sind die Nachbarinnen mit der Morgenarbeit fertig und bringen jetzt ihr Essen vorbei. Dann gehe ich wohl schnell noch mal zum Brunnenhaus und hole Butter und mehr Milch. Soll ich noch was anderes mitbringen?“
„Ich habe keine Eier mehr für das Maisbrot.“
„Dann bringe ich auch Eier mit. Wir haben heute noch gar keine Eier eingesammelt. Ich weiß, dass ihr Emmy-Lou immer gern in der Nähe habt. Vielleicht kann sie später einfach mit ein paar Kindern die Eier einsammeln, und die anderen können Erbsen und Bohnen ernten.“
Als sie ihren Namen hörte, kam Emmy-Lou sofort angelaufen. „Darf ich? Bitte?“
Annie nickte. „Doch zuerst gehst du mit Miss Hope zum Brunnenhaus und holst noch mehr Milch, damit ihr auch genug zu trinken habt.“
Das Brunnenhaus war nur einen Steinwurf weit vom Haus entfernt. Wasser aus der Windmühle floss durch einen Kanal mitten im Zementboden. Dadurch war das fensterlose kleine Häuschen immer kühl und feucht – eine willkommene Abwechslung gegenüber der heißen, grellen Sonne oder der Hitze des Küchenofens. Hope betrat das Häuschen und drehte sich dann verwundert um. „Warum kommst du nicht mit rein, Süße?“
Emmy-Lou klammerte sich an den Türrahmen. „Es ist so dunkel hier.“
„Ja. Irgendwie schon. Aber ich weiß noch, wo ich die Sachen hingestellt habe, deswegen stört mich das nicht so. Wie wär’s, wenn du da stehen bleibst und die Tür einen Spalt offen hältst? Dann kann ich so tun, als wäre ich ein Fisch. Es ist kühl und feucht hier drin. So muss es auch für eine Forelle in einem netten, schattigen Bach sein. Die weiß auch, wo die ganzen Steine liegen, deshalb kann sie sich einfach mit der Strömung treiben lassen.“ Während sie sprach, holte Hope die Sachen, die sie brauchte, und kehrte zu Emmy-Lou zurück. „Da bin ich wieder.“
„Du siehst gar nicht aus wie ein Fisch.“
„Das freut mich sehr.“ Hope lachte. „Und ich freue mich noch mehr darüber, dass ich nicht wie ein Fisch rieche!“
Emmy-Lou kicherte. „Du bist witzig.“
„Außerdem tragen Fische, soweit ich weiß, keine Butter, aber genau das tue ich gerade. Meinst du, du kannst die Eier hier zu deiner Tante in die Küche bringen?“
Mittlerweile waren schon einige Nachbarn gekommen. Viele abgedeckte Schüsseln und Teller türmten sich auf dem Tisch. Der Geruch von frisch gebackenem Brot mischte sich mit dem süßen Duft der Kuchen. Die älteren Mädchen saßen auf der Veranda und schälten Kartoffeln, während Mrs Richardson ein paar Jungen mit Eimern voller kühlem Wasser auf die Felder schickte. „Großmama“, eine Frau die irgendwie mit den Smiths verwandt war, kümmerte sich um die restlichen Kinder und teilte sie zum Eiersammeln und Bohnen- und Erbsenernten ein.
Plötzlich hörte man, wie die Mädchen auf der Veranda alle durcheinanderredeten. Dann betrat Sydney Creighton lachend die Küche. „Ich habe die neueste Ausgabe der Zeitschrift Godey’s Lady’s Book mitgebracht. Die älteren Mädchen wollen es sich nach dem Kartoffelschälen unbedingt anschauen.“
Lena Patterson senkte ihren Kopf und sah auf ihre Näharbeit. Dann lächelte sie und sagte: „Ich habe die neueste Ausgabe von Peterson’s Magazin an den Mädchen vorbeigeschmuggelt. Ich dachte, es wäre doch schön, wenn wir alle unsere Futtersäcke als Material für neue Kleider zum letzten Erntetag mitbringen könnten. Dann können wir die Schnittmuster austauschen und uns gegenseitig helfen, die Farben zusammenzustellen. Eine Woche später können wir uns dann zum Nähen treffen.“
„Eure Pläne könnt ihr später machen.“ Velma bahnte sich einen Weg durch die Frauen und stellte einen großen Bräter auf den nächstbesten leeren Stuhl. „Jemand, der größer ist als ich, muss das auf das Warmhaltefach des Ofens heben. Ich bin einfach zu klein.“
„Das war wirklich sehr nett von Ihnen allen, so viel zu Essen mitzubrinen. Annie und ich werden ganz sicher auch kräftig mit dem Essen helfen, wenn die Ernte auf Ihrer Farm dran ist.“
„Ja, ganz bestimmt.“ Annie griff nach dem großen Bräter.
Doch Hope war schneller. „Der ist sehr schwer.“
Velma zuckte mit den Schultern. „Wir haben vor ein paar Tagen eine Kuh geschlachtet. Bei der Hitze, die gerade herrscht, kann man das Fleisch
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