Ein Schuss Liebe kann nicht schaden
legte den Kopf zur Seite und lauschte. „Meinst du –“
„Hope muss sie schon gemolken haben.“ Wer weiß, was sie sonst noch alles getan hat. Sie hatte es wieder geschafft – mit ihr in seiner Nähe waren seine Sorgen nicht mehr so schwer.
Phineas erhob sich. „Ich sattele die Pferde ab und bringe sie in den Stall.“
„Ich bin so dreckig, ich sollte heute lieber eine Spachtel nehmen als ein Bad.“ Jakob streckte sich. „Gut, dass morgen Sonntag ist. Wenn heute nicht sowieso Badetag wäre, würde ich dich trotzdem in die Wanne stecken. Du stinkst schlimmer als ein kranker Ziegenbock.“
„Und du“ – Phineas machte sich auf den Weg – „stinkst wie ein toter Ziegenbock. Beeile dich in der Wanne und lass mir noch warmes Wasser übrig.“
„In Ordnung.“ Er klopfte an die Tür.
„Der Duft ist rein“, rief Hope von innen.
Ein Lächeln zupfte an seinen Mundwinkeln. Hope und ihre verdrehten Sprichwörter. Jakob holte die Teller und betrat die Küche. Er stellte sie auf die Spüle. In der Mitte der Küche stand die große Badewanne aus Aluminium. Große Töpfe mit Wasser standen auf dem Herd und versprachen ein schönes, heißes, entspannendes Bad für seine müden Muskeln. Zum ersten Mal sah Hope ihn nicht direkt an.
„Hope, Phineas und ich sind unglaublich dreckig. Du solltest zuerst baden.“
Sie sah auf und atmete tief ein. Statt der Fröhlichkeit, die sonst in ihren warmen haselnussbraunen Augen lag, sah Jakob jetzt nur eine große Traurigkeit und Schmerz.
„Was ist los?“
„Wir müssen reden. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber doch ziemlich sicher – aber ich bin natürlich kein Arzt oder so, deshalb stimmt es vielleicht auch nicht –“
„Was ist los?“, wiederholte er bestimmt.
„Es ist Emmy-Lou. Ich denke, Sie sollten sie zu einem Arzt bringen. Am besten gleich morgen früh.“
Kalte Angst stieg in ihm auf. „Warum?“
„Es sind ihre Augen. Sie kann fast nichts sehen.“
„Warum denkst du, dass mit ihren Augen was nicht stimmt?“
„Viele Sachen. Sie hat Angst im Dunkeln.“
Erleichterung machte sich in ihm breit. „Alle Kinder haben das. Sie hat schon viel weniger Angst, vor allem, seit du ihr das Lied beigebracht hast.“
Traurig schüttelte Hope den Kopf und lehnte sich müde gegen den Küchenschrank. „Es ist nicht nur das. Sie verliert immer ihre Puppe und findet sie nicht, selbst wenn sie direkt neben ihr liegt.“
„Achtlosigkeit.“
„Wenn sie draußen ist, geht sie nie allein irgendwo hin, sondern immer nur mit jemand anderem.“
„Weil ich ihr das so gesagt habe.“ Er lächelte sie aufmunternd an. „Siehst du? Es ist gar nichts.“
„Das habe ich auch gedacht. Und wenn sie über etwas gefallen oder gegen etwas gestoßen ist oder als sie Ihr Hochzeitbild zerbrochen hat – da dachte ich auch, dass das alles nur kleine Unfälle seien oder einfach Übermut. Aber es steckt mehr dahinter. Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass es nichts weiter ist, Mr Stauffer, aber wünschen allein ändert die Dinge nicht.“
„Du bist müde.“ Das war jede Frau, nachdem die Ernte auf ihrer Farm vorbei war. Und seit sie bei uns ist, ist Hope immer besonders früh aufgestanden und nach allen anderen ins Bett gegangen, um noch mehr Arbeit erledigen zu können. Als ich heute heimkam, habe ich gesehen, dass sie müde ist, aber ich habe nicht bemerkt, wie erschöpft sie wirklich ist. Eine übermüdete Frau neigt dazu, aus einer Kleinigkeit einen Elefanten zu machen. Naomi war genauso gewesen, und er hatte gelernt, zuzuhören und sie dann davon zu überzeugen, dass alles gar nicht so schlimm war. Ein paar beruhigende Worte, etwas Schlaf, und Naomi ging es wieder gut. Hope war mindestens genauso belastbar und widerstandsfähig wie Naomi. Jakob war sich sicher, dass er auch Hope beruhigen können würde. „Wenn du erst einmal ausgeschlafen bist, sieht morgen bestimmt schon alles ganz anders aus.“
Hope rieb sich die Stirn und seufzte. Als sie die Hand sinken ließ, verwandelten die Tränen ihre Augen in geschmolzenes Gold. „Ich wünsche mir so sehr, dass das alles nur ein böser Traum ist, der nach dem Aufwachen einfach vorbei ist. Aber das ist er nicht.“
Mitleid erfüllte sein Herz. Sie hatte bis an den Rand ihrer Kräfte gearbeitet, und jetzt würde sie nicht eher ruhen, bis sie ihre Sorgen losgeworden war. „Warum bist du so sicher, dass etwas nicht stimmt, Hope? Annie und ich haben bisher noch nichts gemerkt.“
„Ich ja auch nicht. Nicht wirklich.
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