Ein Schuss Liebe kann nicht schaden
die Großmama ihnen am Nachmittag gebracht hatte. Die Smiths hatten ihr Bestes getan. Jeder wusste, dass das Essen dort knapp war. Deswegen hatten auch alle Männer versichert, dass zu Hause ein gutes Abendessen auf sie wartete.
Phineas kicherte leise. „Hast du Leopolds Gesicht gesehen, als du Gramma gesagt hast, dass wir alle kein Abendessen brauchen?“
„Nein“, erwiderte Jakob mit einem Lächeln, „aber ich habe gehört, wie er Richardson gefragt hat, ob Marcella heute Abend kochen würde.“
„Um Marcellas willen hoffe ich, dass sie wirklich so eine gute Köchin ist wie Sydney Creighton immer sagt.“
Jakob lenkte seine Stute ein Stück zur Seite, um einem Schlagloch auszuweichen. „Mrs Creighton war ein Gottesgeschenk – nicht nur für Tim, sondern auch für die Richardson-Mädchen. Ich weiß nicht, was sie ihnen beigebracht hat, aber es scheint zu funktionieren. Wer hätte je gedacht, dass eine von ihnen überhaupt je einen Mann findet, und nun sind es gleich zwei an einem Tag?“
„Brrr!“ Phineas hielt sein Pferd abrupt an. „Du? Du willst Marcella auch heiraten?“
„Nein!“ Jakob drehte sich erstaunt zu Phineas um. „Wie bist du denn auf diesen komischen Gedanken gekommen?“
„Du hast gesagt, dass Marcella zwei Männer gefunden hat.“
Jakob schüttelte nachdrücklich den Kopf. „Ich meinte, dass zwei der Töchter sich je einen Mann geangelt haben.“
„Puh!“ Phineas nahm die Zügel wieder auf und ritt weiter. „Du hast mir einen richtigen Schrecken eingejagt.“
„Ich glaube nicht, dass ich je wieder heirate. Für mich gab es nur eine Frau.“
Schweigend ritten sie eine Weile in der Dunkelheit nebeneinander her. Einen Moment lang erlosch das Licht im Fenster der Farm, dann leuchtete es wieder hell. Phineas räusperte sich. „Weiß Konrad davon? Ich meine, von dem Baby?“
„Nein.“
„So.“ Phineas sagte diese eine Silbe so, wie sie nur ein deutschstämmiger Mann sagen konnte – so endgültig. Darin lag keine Frage und auch keine Forderung – nur ein Anerkennen der Situation.
„Annie bleibt hier – für immer.“ Für Jakob war damit alles gesagt, was gesagt werden musste. Er starrte nach vorne zu dem Licht, das im Wohnzimmerfenster leuchtete.
„Ich habe die blauen Flecken gesehen, und die Angst in ihren Augen ...“ Phineas seufzte schwer. „An dem Tag, an dem du sie auf den Hof gebracht hast. Da habe ich es gesehen.“
Darüber hatten sie noch nie gesprochen. Das war eine ganz private Angelegenheit. Jakob war überrascht, dass sein Angestellter dieses Thema gerade jetzt ansprach, doch er schwieg.
Phineas atmete tief ein. Seine Stimme zitterte. „Als Annie noch ein kleines Mädchen war, hatte sie immer einen besonderen Platz in meinem Herzen. Jetzt ist sie die Frau eines anderen Mannes – aber Konrad könnte sie nur über meine Leiche wieder zurückholen.“
Das war keine Angeberei. Es war ein Versprechen. Jakob freute sich über seine Worte, aber er schuldete es Phineas auch, dass er über die ganze Sache Bescheid wusste.
„Er kann sie gar nicht zurückholen. Die Familienfarm gehört immer noch mir. Ich erlaube ihm, das Land zu bestellen und den Gewinn zu behalten, aber nur, solange er sich von Annie fernhält.“
„Annie ist viel mehr wert als das Land, und Konrad ist ein gieriger Mann, Jakob. Es wird die Zeit kommen, wo ihm das nicht mehr reicht.“ Als Jakob nicht antwortete, knurrte Phineas: „Er will jetzt schon mehr, habe ich recht?“
„Die Ernte war gut. Ich kann ihm etwas Geld schicken, wenn ich den Weizen verkauft habe.“ Bis dahin würden sie es gerade so schaffen. Clark im Laden und Vaughn im Futtergeschäft würden ihn auf Kredit kaufen lassen, aber bisher hatte er noch keine Schulden machen müssen. Trotzdem hatte Phineas recht. Konrads Gier machte das Leben nur noch schwieriger.
„Gib ihm das Geld und bezahle mich nicht mehr.“
Jakob blickte ihn erschrocken an. „So weit soll es nicht kommen. Der Arbeiter ist seinen Lohn wert. Du –“
„Ich bekomme hier gutes Essen, habe ein Dach über dem Kopf und Kleider am Körper. Was wäre ich für ein Mann, was für ein Freund und Bruder in Christus, wenn ich Geld nehmen würde, das ich nicht brauche, und dadurch eine Frau in Gefahr bringe?“
„Annie ist hier. Hier ist sie sicher.“
„Aber wie lange noch?“ Phineas hielt sein Pferd wieder an. „Konrad wird bald mehr wollen. Nimm meinen Lohn, um für deine Schwester die Freiheit zu erkaufen.“
„So weit wird es nicht
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