Ein schwarzer Vogel
deutlich zu hören.
»Hat es bis dahin Zeit?« fragte ich.
»Nun ja, ich glaube schon, wenn...wenn es eben nicht anders geht.«
»Wann haben Sie Ihre Verabredung? Vormittags oder nachmittags?«
»Sie ist an keine bestimmte Zeit gebunden. Ich habe jemandem versprechen, den ganzen Tag über zu Hause zu bleiben.«
»Gut, ich komme im Laufe des Nachmittags. Ich rufe Sie rechtzeitig vorher an, damit ich nicht störe, solange er da ist.«
»Solange sie hier ist«, korrigierte Shirley Bruce schalkhaft.
»Ach so. Nun gut, ich rufe vorher an.«
Ich hängte ein und rief die Acme Schweißerei und Reparaturwerkstatt an. Eine unsichere, nicht sonderlich intelligent klingende Frauenstimme meldete sich am Telefon.
»Holen Sie Robert Hockley an den Apparat«, befahl ich.
»Das geht nicht, er ist nicht hier.«
»Wo ist er?«
»Wer ist denn dort?«
»Die Presse.«
»Wie? — Ich habe Ihren Namen nicht verstanden.«
»Es war kein Name. Hier ist die Presse. Die Presse wünscht ihn. Ich möchte ihn interviewen. Holen Sie ihn. Wo ist er?«
»Er ist zur Paßstelle gegangen.«
»Zur Paßstelle?«
»Ja.«
»Wozu denn das?«
»Um seinen Paß abzuholen. Sie haben angerufen, daß er fertig ist. Ich...Sie können ihn ja dort anrufen.«
»Wo will er denn hinreisen?« fragte ich.
»Das weiß ich auch nicht«, sagte sie steif. »Sie können Mr. Hockley in der Paßstelle anrufen, wenn Sie wollen.«
Ich hörte das Knacken am anderen Ende der Leitung und hängte ein.
Anschließend fuhr ich zu dem Krankenhaus, in das Mrs. Grafton gebracht worden war. Es fiel mir nicht schwer, ihre Krankengeschichte zu erfahren. Sie war mit einer Kupfersulfatvergiftung eingeliefert worden. Ein Assistenzarzt wollte zwar nicht über den Fall, wohl aber über die Wirkung von Kupfersulfat mit mir reden.
»Kupfersulfat«, sagte er im Ton eines Mannes, der gerade sein Prüfungsthema wiederholt hat, »wird selten von Giftmördern verwendet, obwohl es ein starkes Gift ist. Da es jedoch sofort große Übelkeit verursacht, ist es schwer, festzustellen, wie hoch die tödliche Dosis ist, weil der Magen viel wieder von sich gibt.«"
Ich nickte, um ihm zu zeigen, wie sehr mich sein Wissen beeindruckte.
»Tatsächlich«, dozierte der Assistenzarzt weiter, »ist eine Dosis von fünf Gran Kupfersulfat ein schnell und nachhaltig wirkendes Brechmittel. Es ist das bekannteste Gegengift bei Phosphorvergiftungen, weil es nicht nur als Brechmittel wirkt und den Magen von dem Phosphor befreit, sondern auch durch seine chemischen Eigenschaften als Gegenmittel auf den verbleibenden Phosphorrest im Magen wirkt.«
»War es denn eine Phosphorvergiftung?« fragte ich.
»Nein, nein! Sie mißverstehen mich. Natürlich war es eine Vergiftung. In der Tat, das Konfekt war gründlich getränkt. In jedem Stück in der Schachtel fanden wir Kupfersulfat.«
»Wenn fünf Gran die Dosis sind, um Erbrechen hervorzurufen, dann kann das eben nicht tödlich wirken.«
»Nun«, sagte er, »die Kapazitäten stimmen hier nicht vollständig überein. Webster zitiert in seinem Buch Gerichtsmedizin und Toxikologie von Hasselt, der acht Gran als tödlich wirkende Dosis angibt. Gonzales, Vanee und Helpern bezeichnen die tödliche Menge als sehr variabel. Das Apothekerbuch der Vereinigten Staaten gibt die Dosis von fünf Gran als schnelles und wirksames Brechmittel an, die, falls es notwendig sein sollte, nach fünfzehn Minuten noch einmal verabreicht werden darf, aber nicht öfter.«
»Sehr interessant«, sagte ich, »und was geschah mit der Patientin?«
Er lächelte. »Anscheinend gab sie das Gift beinahe sofort wieder von sich, nachdem sie es zu sich genommen hatte.«
»Wo ist sie jetzt?«
»Entlassen. Persönlich glaube ich nicht, daß sie mehr Gift, als eben gerade für ein Brechmittel erforderlich ist, zu sich genommen hat. Mißverstehen Sie mich nicht, ich spreche nicht mit Ihnen über die Patientin. Ich belehre Sie lediglich über die Wirkung von Kupfersulfat.«
»Wofür wird es eigentlich gebraucht?« fragte ich. »Wofür verwendet man speziell Kupfersulfat?«
»Man benötigt es beim Bedrucken von Kaliko und in der Herstellung von Farbstoffen. Ferner hat es große Bedeutung bei der Reinigung des Wassers und wird auch beim Verkupfern verwendet.«
»Ist es schwierig zu beschaffen?«
»Nein, nicht besonders.«
»Wie kann jemand nur auf die Idee kommen, damit Konfekt zu vergiften, um jemanden umzubringen?« fragte ich.
Er sah mich an und schüttelte verwundert den Kopf. »Das
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