Ein schwarzer Vogel
»Bezahlt« versehen.
Sie streckte ihre Hand aus, und ich gab ihr den Scheck zurück.
»Donald, warum sagen Sie nichts?«
»Was soll ich dazu sagen?«
»Wollen Sie nicht wissen, warum ich ihm das Geld gegeben habe?«
»Ist der Grund so wichtig?«
»Er war in Bedrängnis und verbittert. Oh, so unglücklich. Er tat mir unendlich leid. Zuerst wies ich ihn ab. Er verlangte, ich solle für mich selber tausend Dollars monatlich mehr verlangen, damit er dann den gleichen Betrag bekäme.«
»Und das lehnten Sie ab?«
»Ja. Ich wollte Onkel Harry nicht in Aufregung versetzen. Dann tat mir aber Robert leid, und ich brachte ihm diesen Scheck.«
»Als Darlehen?«
»Nein, als Geschenk.«
Aus der Küche rief Juanita Grafton: »Wo ist die chinesische Teekanne?«
Ungeduldig antwortete Shirley: »Ich weiß es nicht, störe mich damit nicht. Wenn du sie nicht findest, dann nimm eine andere.«
Sie wandte sich mir wieder zu, und ihre Stimme klang sanft und einschmeichelnd: »Ich muß mich beeilen, denn Juanita ist eine neugierige, alte Klatschbase. Donald, ich brauche Ihre Hilfe.«
»Wofür? Warum?«
»Ich habe Onkel Harry furchtbar gern, und ich bin in Ängsten um ihn.«
»Weshalb nur?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es nur so eine Ahnung. Ich werde das Gefühl nicht los, daß er in Gefahr ist.«
»Und was soll ich nun tun?«
»Sie sollen bei ihm bleiben und ihn beschützen. Sie werden es doch tun? Bitte, übernehmen Sie es.«
»Zum Leibwächter anderer Leute tauge ich nicht besonders.«
»O doch, diese Fähigkeiten besitzen Sie durchaus. Sie sind klug. Sie erkennen Gefahren augenblicklich, wo...ich meine, Sie können Leute auf ihre Absichten hin durchschauen. Ihr Beruf verlangt eine gute Menschenkenntnis.«
»Was hat das damit zu tun?«
»Wissen Sie nicht, warum Harry in Gefahr ist?«
»Woher soll ich das wissen?«
»Muß ich noch Namen nennen?«
»Bitte, warum nicht?«
»Es ist diese Nachlaßverwaltung«, sagte sie zögernd. »Es gibt jemanden, der profitieren würde, wenn — wenn Harry aus dem Wege geräumt wäre.«
»Wollen Sie damit sagen, daß Cameron getötet wurde, weil...«
»Nein, nein. Das nicht.«
»Was denn?«
»Nur, daß er jetzt tot ist.«
»Das scheint ganz außer Frage zu stehen.«
»Nehmen Sie einmal an, Onkel Harry würde auch etwas zustoßen.«
»Dann würden Sie doch eine Riesensumme Geld in die Hand bekommen.«
»Ich?« fragte sie, herzhaft lachend.
»Ja, Sie! Oder etwa nicht?«
Sie sah mich mit ihren dunklen Augen an. »Ja, natürlich. Muß ich Ihnen denn noch mehr erklären?«
»Sie denken an Robert Hockley?«
»Ich denke an gar nichts. Nur daran, daß Sie Onkel Harry beschützen sollen.«
»Das liegt nicht auf meiner Linie.«
»Ich werde Sie gut bezahlen. Geld habe ich genug.«
»Und wie soll ich ihm erklären, daß Sie mich damit beauftragt haben?«
»Sie brauchen ihm gar nichts zu erklären. Sie würden einfach bei ihm sein, und er würde Sie bezahlen. Und von mir erhielten Sie außerdem auch noch ein Honorar. Onkel Harry hält Sie für umsichtig und zuverlässig. Er möchte gern, daß Sie für eine Zeitlang ständig bei ihm sind, Tag und Nacht.«
»Und nehmen wir nun einmal an, ich entdeckte dann etwas, von dem Onkel Harry nicht will, daß ich es weiß? Was dann?«
Sie lachte. »Sie brauchen ja nicht alles weiterzusagen, was Sie dabei herausbekommen. «
»Wenn ich Sachen erfahre, von denen mein Auftraggeber nicht will, daß ich sie weiß, dann bin ich mit ihm nicht gern Tag und Nacht zusammen. Für irgend jemand kann das nämlich auch Unglück bedeuten.«
Während dieser Unterhaltung hatte sie mit ihren Fingern unaufhörlich den Rücken meiner Hand gestreichelt. Nun hörte sie damit plötzlich auf, und ich bemerkte, wie sie angestrengt nachdachte. Ihre Stimme klang vorsichtig, sie setzte ihre Worte gleichmäßig und ohne besondere Betonung, als sie sagte: »Das möchte ich bitte noch einmal von Ihnen hören, Donald.«
Gerade in diesem Moment schob Juanita Grafton einen Teewagen aus der Küche in das Zimmer.
Shirley sah zu ihr auf, und einen Augenblick schien sie völlig verzweifelt zu sein. Aber sie faßte sich sofort wieder und goß uns beiden mit der Geste einer vollendeten Gastgeberin Tee ein.
Juanita Grafton zeigte nicht die geringste Spur von Schwäche oder gar Kranksein. Sie bemühte sich mit zärtlicher Aufmerksamkeit um Shirley und schien jetzt bereit, sich mit mir als einem der Hausfreunde Shirleys abzufinden. Shirley saß dicht neben mir.
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