Ein Sehnen Im Herzen
für mich gebacken. Nehmen Sie ruhig eins, wenn Sie wollen. Sie sind sicher noch warm.«
Lord Denham ignorierte den Korb. Stattdessen wandte er nicht den Blick von ihr, was seltsam beunruhigend war. Seine Augen hatten immer schon eine eigenartige Farbe gehabt, erinnerte sie sich, nicht wirklich grün, aber auch nicht braun. Sie schimmern beinahe golden, dachte Emma bei sich. Golden wie der Ehering, den sie vor so vielen Monaten abgenommen und jemand anderem gegeben hatte - sie wusste nicht mehr, wem. Irgendjemandem, der ihn nötiger gebraucht hatte als sie, daran konnte sie sich noch erinnern.
»Sie haben sehr... aufmerksame Nachbarn«, war alles, was James sagte, und wieder lag diese Andeutung von irgendetwas unbestimmten in seinem Ton. Emma konnte nicht genau sagen, was dieser Ton bedeutete. Sicher nichts Schmeichelhaftes. Nicht, wenn es von den Lippen des Earls von Denham kam.
»Ja«, sagte sie. »Mr. MacEwan und seine Mutter kümmern sich rührend um mich, seit Stuart gestorben ist.«
Die unausgesprochene Kritik, dass der Earl und seine Mutter seit dem Tod ihres Ehemannes nichts für sie getan hatten, blieb nicht unbemerkt... obwohl es gar nicht Emmas Absicht gewesen war, etwas dergleichen anzudeuten. Es wäre zutreffend, aber angesichts der Umstände nicht ganz fair gewesen. Dennoch reagierte James sofort.
»Na gut, aber Mr. MacEwan und seine Mutter wissen viel länger von Stuarts Tod als meine Mutter und ich. Ich habe es erst vor einer Woche erfahren. Wirklich, Emma, hätten Sie uns nicht früher verständigen können?«
»Nein, das konnte ich nicht«, erklärte sie ruhiger, als sie in Wirklichkeit war. »Wie Sie wissen, stand der ganze Bezirk unter Quarantäne. Sie wurde erst letzten Monat aufgehoben.«
»Trotzdem hätten Sie eine Nachricht senden können!«
»Sie wissen, dass Sie gekommen wären«, sagte sie, »Quarantäne oder nicht. Und ich wollte nicht Ihren Tod auf dem Gewissen haben.« Wie den von Stuart, hätte sie um ein Haar hinzugefügt. Sie drehte sich um und nahm ihre Haube von einem Wandhaken. »So, jetzt haben Sie mich gesehen und können zu Hause allen erzählen, dass es mir gut geht. Und nun, Mylord, wenn es Ihnen nichts ausmacht, muss ich wirklich gehen.«
»Gehen?«, fragte er. Die Frage stand ihm wohl zu. Schließlich war er eben erst gekommen. Und die Ankunft des Earls von Denham war im Allgemeinen ein großes Ereignis. Er war der Typ Mann. »Wohin?«
»Ins Schulhaus«, antwortete sie mit mehr Courage, als sie empfand. Sie wusste, wie er reagieren würde, wenn er die volle Wahrheit erfuhr. Er würde lachen... oder Schlimmeres.
»Ins Schulhaus?«, wiederholte er. »Aus welchem Grund? So früh am Morgen findet doch wohl kaum ein Treffen der Missionsgesellschaft statt?«
Trotz ihrer Nervosität musste Emma unwillkürlich ein Lächeln unterdrücken. »Nein. Die hiesige Missionsgesellschaft ist zwar sehr eifrig, aber so eifrig nun auch wieder nicht. Ich gehe zur Schule, weil ich die Lehrerin bin.«
»Die Lehrerin?« James starrte sie an. »Sie unterrichten, Emma? Was? Und wen?«
Na gut. Wenigstens hatte er nicht gelacht.
»Ich gebe ganz normalen Unterricht«, sagte sie. »Für Kinder. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, Mylord, ich bin sehr spät dran. Sie können natürlich gern hier bleiben, wenn Sie wollen - obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass Sie das möchten -, aber ich muss gehen. Das verstehen Sie doch, oder?«
Der Earl von Denham schien es ganz und gar nicht zu verstehen. Er schien immer noch genauso verwirrt, wie in dem Moment, als er über ihre Schwelle getreten war.
Trotzdem riss er sich zusammen, griff nach seinem Hut und sagte ernst: »Dann bringe ich Sie in den Ort, Emma.«
Emmas Augen weiteten sich. »Oh«, sagte sie. »Das ist nicht... Ich meine, das ist wirklich nicht nötig.«
James zog eine seiner Augenbrauen hoch und streifte seine Handschuhe über. »Sie möchten also lieber zu Fuß gehen? Zwei Meilen? Bei dem Regen?«
Emma starrte auf den strömenden Regen draußen vor der Tür. Una, die sie in ihrem vorgerückten Stadium der Schwangerschaft nicht allein zu lassen wagte, winselte leise zu ihren Füßen. Offenbar behagte ihr die Vorstellung, wieder in die Nässe hinauszumüssen, genauso wenig wie Emma.
Eine Fahrt. Das war alles, was der Earl ihr anbot. Eine Fahrt in die Stadt. Und mit etwas Glück ließ er sich vielleicht sogar überreden, die Mittagsfähre zu nehmen und abzufahren, ohne jemals die volle Wahrheit über Emmas unglückselige
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