Ein sehr privater Verführer (Baccara) (German Edition)
Immerhin wirkte das, was sie sah, schon vertrauter als gestern Abend.
Endlich fühlte sie sich stabil genug, um ins Bad zu gehen, dort putzte sie sich die Zähne und zog sich an. Der Hunger zog sie in die Küche. Dort fand sie eine Notiz in einer großen, sehr männlichen Handschrift. Der Kühlschrank ist voll. Bedienen Sie sich. Ich arbeite. Wir sehen uns heute Nachmittag.
Sie zerknüllte das Papier und warf es in den Abfalleimer. Er arbeitete? Aber was? Allein gelassen verspeiste sie ein Sandwich und eine Banane. Da schellte es. Zuerst wartete Gracie, ob Gareth nicht vielleicht doch da war, doch als es zum zweiten Mal klingelte, eilte sie, so schnell es ihr Bein erlaubte, zur Haustür.
Draußen stand eine junge Frau, die ihr ein strahlendes Lächeln gönnte und ohne zu fragen, eintrat.
„Ich bin Annalise“, sagte sie, stellte einige Tüten und Schachteln ab, und reichte Gracie dann die Hand. „Jacob hat mir Ihre Maße verraten, daher wusste ich ungefähr, welche Kleidergröße Sie tragen. Ich hoffe, ich habe alles Notwendige mitgebracht. Es sollte zumindest für eine Woche reichen. Danach schauen wir weiter.“
„Aber ich …“
Annalise war bereits beim Auspacken. „Ich habe meine Lieblingsboutique in Charlottesville angerufen, und sie haben alles sofort geliefert. Die Managerin ist total nett.“
In Gracies Kopf überschlugen sich die Gedanken. Besaß sie überhaupt genug Geld, um die ganzen Klamotten zu bezahlen? Ganz zu schweigen von den Kosten für den Kurier. „Hm“, begann sie vorsichtig, „eigentlich brauche ich ja nur ein paar Sachen zum Wechseln. Es ist furchtbar nett von Ihnen, dass Sie sich diese Mühe gemacht haben, aber ich bleibe ja nicht lang. Sobald ich mein Gedächtnis wiedergefunden habe, werde ich Ihnen die Auslagen natürlich erstatten.“
Doch Annalise saß mittlerweile seelenruhig auf dem Teppich und begann, die Preisschilder abzuschneiden. „Unsinn“, sagte sie fröhlich. „Gareth kommt für all das hier auf. Das ist das Mindeste, was er tun kann, um Sie für die schlechte Behandlung zu entschädigen.“
Nun schien Annalise sich an etwas zu erinnern, denn ihre Miene wurde ernst, und sie sprang auf. „Übrigens hat Jacob mich gebeten, mir Ihre Kopfwunde anzusehen. Wenn etwas ist, können wir ihn jederzeit anrufen.“
Ehe Gracie etwas sagen oder sich wehren konnte, schob die Fremde ihre roten Locken beiseite und inspizierte die Beule an der Schläfe.
„Nun ja“, murmelte sie. „Die Schwellung ist nicht schlimm, aber die Wunde sieht ganz schön heftig aus.“ Sie wuschelte liebevoll wie eine Mutter durch Gracies Haar und kehrte zurück zu den Kleidern auf dem Teppich. „Dort drüben in der kleinen Tasche finden Sie antibiotische Salbe und wasserfeste Pflaster. Jacob sagt, Sie dürfen nach dem Duschen den Beinverband abnehmen und erneuern.“
„Annalise?“
Mit einem gewinnenden Lächeln sah die Angesprochene auf. „Ja?“
„Wer sind Sie?“
Die schöne Frau mit dem langen, rabenschwarzen Haar lachte. „So was Dummes. War ich mal wieder zu schnell mit allem. Ich bin Gareths Cousine, Annalise Wolff. Die Jüngste der Bande, und das ist kein Spaß, versichere ich Ihnen. Besonders, wenn man die einzige Frau ist.“
„Leben Sie auch hier?“
„Noch nicht, aber bald. Ich war bloß kurz zu Besuch bei meinem Vater und Onkel Vic. Ein schöner Zufall, nicht? Denn können Sie sich vorstellen, was passiert, wenn man Männer schickt, um eine Frau neu einzukleiden? Der Himmel weiß, was die mitgebracht hätten.“
Gracie bückte sich. „Ein Bikini?“ Sie hielt das winzige Teil hoch. „Wozu brauche ich den?“
„Hat Gareth Ihnen den Pool noch nicht gezeigt?“
„Den Pool?“
„Ja, den Indoor-Pool. Ein Traum.“
„Hm, nein. Er … er ist nicht gerade begeistert davon, dass ich überhaupt hier bin.“
„Aber nun sind Sie hier.“ Annalise lächelte. „Es wird Zeit, dass der einsame Wolf Gesellschaft erhält. Gareth ist ein wunderbarer Mensch, aber er kommt über die Vergangenheit nicht hinweg. Das wird ihn irgendwann noch krank machen.“
„Was für eine Vergangenheit?“
Mit einem Mal wurde Annalise ernst. „Ich habe kein Recht, darüber zu reden. Wenn Gareth es möchte, kann er es Ihnen selbst erzählen.“ Und schon wieder etwas heiterer fügte sie hinzu: „Kommen Sie. Wir gehen in Ihr Zimmer, und Sie probieren die Sachen an.“
Gracie folgte ihr, mehr aus Neugier als aus Lust am Umziehen. Annalise faszinierte sie. Sie hätte ein Model sein können
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