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Ein seltsamer Ort zum Sterben

Ein seltsamer Ort zum Sterben

Titel: Ein seltsamer Ort zum Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derek B. Miller
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solltest nach Hause fahren», erwiderte Ritchie unerwartet.
    «Das sollte ich wohl», sagte Saul, und dann latschte er gemeinsam mit Williams den Steg entlang.
    Sie gingen durch ein sehr kleines Dorf, das verlassen schien. Vier strohgedeckte Häuser waren auf braunem, schlammigem Grund zusammengepfercht. Ein Fahrradreifen rostete im Regen. Ein Korb mit vergammeltem Gemüse lag umgekippt auf einem Tisch. Sheldon machte ein Foto und ging weiter. Saul bildete die Spitze ihres kleinen Trupps, gefolgt von William und dann Sheldon. Saul war ein guter Soldat. Er war aufmerksam, ließ sich nicht von Kleinigkeiten ablenken und hielt die Klappe. Aber er war eben auch Anfang zwanzig und ging daher nicht langsam genug, sah nicht sorgfältig genug hin und sprach nicht leise genug, wenn er doch mal den Mund aufmachte.
    Als der Wald den Blick auf ein kleines Reisfeld freigab, zog Saul einen Kompass heraus, wartete, bis die Nadel sich beruhigt hatte, und deutete dann ein kleines Stück nach links. Er drehte sich um und blickte hinter sich, direkt an Sheldon vorbei, und machte sich ein Bild von dem Gelände, das sie auf dem Rückweg durchqueren mussten. Das war eine wertvolle Lektion, die Sheldon in Korea gelernt hatte. Wieder einmal hörte er die Stimme seines Ausbilders: «Der Grund, weshalb einem auf dem Rückweg nichts bekannt vorkommt, ist der, dass einem auch nichts bekannt ist! Ihr habt es nie vorher gesehen, richtig? Wenn ihr euch nicht umdreht, woher wollt ihr dann wissen, wonach ihr sucht? Hä? Du! Vollidiot! Wie lautet die Antwort!?»
    An diesem Tag ging ein anderer Vollidiot voran. Aber es hätte auch Sheldon sein können, denn oft genug war er es gewesen. Als schließlich sein Tag kam in Incheon, war er froh über die Lektionen, die er gelernt hatte.
    Sie rochen das Flugzeug, bevor sie es fanden. Die F 4 war erst auf halbem Weg ihrer Abwurfmission unterwegs gewesen und daher mit einer Menge Benzin abgestürzt, das beim Verbrennen einen anderen Geruch erzeugte als Napalm, Reisfelder, Vieh und Menschen. Herman zufolge erreichte es nur Stufe zwei auf dem «Würgometer», wohingegen verwesende Kinderleichen in der heißen Sonne neun erreichten. Die zehn war dem Geruch der Briefe von Bürokraten vorbehalten.
    Saul konnte anhand des Geruchs nicht feststellen, welche Richtung sie einschlagen mussten. Doch kurz darauf fanden sie die ersten Teile des Flugzeugs am Boden. Zunächst kleine Splitter, wie Bolzen, und Stücke verbogenen Metalls, aber das reichte, um zu wissen, dass sie in die richtige Richtung gingen.
    Sheldon sah auf die Uhr. Sie waren erst seit fünfzehn Minuten im Dschungel.
    Saul führte sie zu einer kleinen Anhöhe rechter Hand. Das war eine gute Idee, denn so hatten sie einen besseren Überblick über das Gelände. Bevor sie oben waren, stieß Williams einen Pfiff aus und sagte: «Dort drüben. Seht mal da.»
    Saul und Sheldon wandten sich nach links, und dort, ungefähr einen halben Kilometer entfernt auf leicht begehbarem Terrain, lagen große Bruchstücke der Maschine.
    «Hat jemand den Scheißpiloten gesehen?»
    Saul deutete nach links. «Das dort könnte der Fallschirm sein.»
    «Gut. Lasst uns mal schauen, ob da noch was Rosafarbenes im Cockpit herumliegt», sagte Williams.
    Als sie den Hügel hinab auf die Trümmer zugingen, entdeckte Sheldon eine seltsam unpassende Gestalt, die am Wegesrand an einem Baum lehnte. Saul ging direkt auf sie zu, als wäre sie gar nicht da. Als Williams näher kam, rief Sheldon: «Herman, rechts von dir, pass auf!»
    «Oh, das ist nur Bill. Vergiss ihn einfach. Der Fucker taucht die ganze Zeit auf. Hilft einem allerdings auch nichts.»
    Als Sheldon sie eingeholt hatte, sah er, dass es sich in der Tat um Bill Harmon handelte, seinen Freund aus New York. Bill trug eine schäbige Hose, College-Schuhe, ein blaues Buttondown-Hemd und ein Harris-Tweed-Sakko. Zwischen 1975 und 1980 ließ sich Bill noch nicht auf diesen Trips blicken. Erst nach seinem Tod tauchte er auf und mischte sich ein. Nur war Sheldon nicht sicher, ob Bill wirklich Bill war. Er sagte dieselben dummen Sachen, die Bill immer sagte, aber es fühlte sich nicht wie Bill an. Seine Präsenz war eindrücklicher und irgendwie jugendlicher zugleich. Im wirklichen Leben hatte Bill Sheldon niemals mit dem Gefühl der Verstörung zurückgelassen. Aber bei dem Bill aus seinen Träumen war das so.
    «Was machst du hier, Bill?»
    «Ich sammle Altertümer.»
    «Was?»
    «Die französischen Kolonialherren waren ewig hier. In

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