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Ein seltsamer Ort zum Sterben

Ein seltsamer Ort zum Sterben

Titel: Ein seltsamer Ort zum Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derek B. Miller
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denjenigen zerrissen, die Realpolitik auf der internationalen Bühne praktizieren. Recht wird der Zweckdienlichkeit geopfert, je weiter wir uns von den Verbrechen und ihren Opfern entfernen. Und aus irgendeinem Grund ist er nun hier – kauft seine Untertassen bei Glassmagasinet und seine Wintersocken bei Anton Sport, so wie wir anderen auch.
    Familie – was für ein nichtssagender Begriff. Sigrid nimmt die Akte der Frau zur Hand. Herkunft, Geburtstag, Schulbildung, Zeitpunkt der Immigration – all das ist jetzt an das neue Dokument angeheftet. Tag der Ermordung, Ort, Todesursache. Die Akte ist natürlich noch nicht geschlossen. Neue Informationen kommen die ganze Zeit über hinzu.
    Es gibt eine Liste ihrer persönlichen Dinge. Alles bemerkenswert normal. Eine Pulsar-Armbanduhr. Ein wenig Modeschmuck von Arts and Crafts in Oslo. Kleidung. Ein kleiner Schlüssel – vielleicht für ein Tagebuch oder auch den Briefkasten. Ein entzückender kleiner Ring aus Weißgold mit einem einzigen blauen Saphir, vermutlich ein Geschenk oder ein Erinnerungsstück. Keine Ohrringe. Kein Geld.
    Trotz der Betriebsamkeit und Energie in der Zentrale hört sie nur Stille, als sie sich vorstellt, wie Enver der Frau die Schlinge um den Hals legt und zuzieht, bis sie ihr Leben aushaucht.
    «Wo ist meine Akte über den Jungen?», ruft sie laut.
    Ein Beamter brüllt zurück, dass sie unterwegs zu ihr sei. Sigrid schüttelt den Kopf. Das sollte alles nicht so lange dauern.
    «Wo sind meine Infos zu Horowitz?»
    «Die alten Akten von den Marines sind noch nicht digitalisiert, aber die haben irgendeinen armen Kerl für uns mit der Taschenlampe ins Kellerarchiv geschickt.»
    «Ich muss wissen, mit wem wir es hier eigentlich zu tun haben, okay?»
    Ob nun als Scharfschütze oder als Schreibtischhengst, Sheldon Horowitz war ein ehemaliger Marine. Und da es sich hier um einen Mordfall handelte, in den auf die eine oder andere Weise ein ehemaliger Marine verwickelt war, hatte Sigrid ein Informationsgesuch über das Außenministerium weitergeleitet, schließlich waren die USA und Norwegen NATO -Alliierte. Zu ihrer Überraschung sprangen die Amerikaner voll darauf an.
    Ihre Theorie ist, dass die Belegschaft in der wuchtigen, festungsartigen amerikanischen Botschaft in Oslo an der Henrik Ibsens gate sich langweilt. Klar, Norwegen ist in der NATO , und es gibt dort eine Menge Fisch, Öl und Gas. Aber sonst …? Was haben die schon für ein Interesse an Norwegen?
    «Wir sind bereits dran», sagte einer ihrer Beamten. «Es liegt nur noch keine Meldung vor.»
    «Keine Nachrichten von den Flughäfen?»
    «Nein», sagt ein anderer. «Keine von den Buslinien, den Zügen, den Taxis oder der zentralen Tourist-Info. Nichts von den Polizeistreifen. Nichts von der Fahrradpolizei. Nichts von dem Beobachtungsposten gegenüber dem Wohnhaus. Nichts von den Krankenhäusern.»
    «Was ist mit der Enkelin?»
    «Die sind im Sommerhaus in Glåmlia», erwidert ein weiterer Beamter. «Sie sind per Telefon erreichbar. Sie haben heute angerufen, wie wir es mit ihnen vereinbart hatten.»
    «Vielleicht ist der alte Mann unterwegs zu ihnen», sagt Sigrid.
    Keiner sagt etwas.
    Wie?
, fragen sie sich im Stillen.
    Aber niemand spricht es aus.
    «Die rufen uns doch an, oder?», meinte irgendwann einer der Kollegen. «Sie haben sich mit uns in Verbindung gesetzt, wie wir das mit ihnen ausgemacht haben.» Einige Leute nicken. Andere murmeln etwas.
    «Ruft den örtlichen Polizeichef an, er soll morgen früh jemanden hinschicken. Sagt ihnen, es gäbe da ein Problem. Was ist mit den Autovermietungen?»
    Es sind Faxe verschickt worden. Wir haben nichts herausgefunden.
    Sigrid wäre froh, nichts in Händen zu haben, wenn da auch nichts zu erwarten wäre. Sie ist immer realistisch, was die Ergebnisse ihrer Untersuchungen angeht. Aber bei der Suche nach einem alten Mann, einem jüngeren Mann und einem kleinen Jungen in so einer kleinen Stadt muss doch etwas zu finden sein!
    Das Gespräch mit dem Leiter der Immigrationsbehörde nagt an ihr. Keine Frage, dies ist nicht der richtige Zeitpunkt für derartige Gedanken, doch wie können die Behörden die Sicherheit des norwegischen Volkes und das Allgemeinwohl – also das Wohl der Bürger dieses Landes, die für ihre Demokratie gekämpft hatten – hintanstellen und das der Ausländer an erste Stelle setzen?
    Und wie kann man es zulassen, dass die hehren Ideale ehrbarer Norweger einfach die Fakten ignorieren? Gute, handfeste Fakten? Wie können wir

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