Ein seltsamer Ort zum Sterben

zusammenhalten, ist es notwendig, die Ideen zu teilen. Daher schaue ich mir gern an, welche Ideen weitergegeben werden. Wer ist daran beteiligt? Was denken diese Leute? Was ermöglicht diese Ideen? Was ist für sie offensichtlich, und was kann man sich unmöglich vorstellen? Was ist gestattet und was nicht?
    Wenn du nicht bei den Ideen anfangen kannst, weil sie verborgen sind, fang bei denjenigen an, die mit den Leuten sprechen, um die Dinge zum Laufen zu bringen. Dabei zeichnen sich immer gewisse Muster ab. Wenn Dinge getan werden, dann liegt ihnen ein Muster zugrunde. Mit Sicherheit geht es hier um mehr als um ein einfaches Motiv. Es geht um die …
Logik
, die das Gespräch zusammenhält.»
    Sigrid hatte genickt und über das, was ihr Vater gesagt hatte, nachgegrübelt.
    Nach einer Weile sagte sie: «Du sprichst mit den Tieren und lebst auf einem Bauernhof. Was soll ich nun davon halten?»
    «Aha», hatte ihr Vater gesagt. «Aber welche Tiere? Und worüber unterhalten wir uns?»

11. Kapitel
    Sheldon träumte nicht von der Frau, die ermordet wurde. Zum ersten Mal, seit er sich erinnern konnte, träumte er auch nicht von seinem Sohn. Stattdessen träumte er von einem kleinen Jungen, der mit dem Rücken zu ihm saß und mit farbigen Bauklötzchen spielte. Immer höher türmte er sie auf, bis in schwindelerregende Höhe.
    Sheldon schlief fest, weil er sich keine Sorgen machte, man könne ihn hier im Haus schnappen. Etwas Bahnbrechendes war irgendwann um die Schwelle zum neuen Jahrtausend geschehen, als er fünfundsiebzig Jahre alt wurde. Er hatte festgestellt, dass man ihm so ziemlich alles durchgehen ließ, weil die Leute ihn für einen verrückten alten Kauz hielten.
    Nicht mein Haus? Sie machen wohl Scherze …
    Warum sich also Sorgen machen?
    Da konzentrierte man sich doch lieber auf die echten Probleme, zum Beispiel wie man nach Glåmlia kam, ohne die öffentlichen Verkehrsmittel oder ein Taxi zu benutzen oder per Anhalter zu fahren.
    Paul ist nur schwer wach zu kriegen, aber Sheldon weiß, dass er seit gestern Nacht um neun Uhr geschlafen hat, und acht Stunden müssen jedem reichen.
    «Guten Morgen», sagt er, über das Bett gebeugt.
    Als der Junge aufwacht, erkennt Sheldon, dass er – wie jedes Kind – erst einmal orientierungslos ins Licht blinzelt. Als er endlich klar sieht und Sheldon erblickt, legt er wortlos den Arm um Sheldons Hals und hält ihn fest.
    Es ist keine liebevolle Umarmung, sondern der Griff eines Ertrinkenden, der sich an Treibgut klammert.
    «So», sagt Sheldon zu Paul, «antreten zum Zähneputzen, danach gibt’s Frühstück. Wir sollten uns ein bisschen umsehen und nachdenken. Wir müssen ja nicht unbedingt zu dieser Hütte. Was gut ist, weil ich gar nicht so recht weiß, wie wir da hinkommen sollen. Wir könnten mit dem kleinen Boot da draußen bis Schweden fahren, wenn uns danach ist. Nur ist mir nicht danach. Ein Tag auf See reicht für einen alten Mann wie mich. Ich muss in der Nähe einer Toilette bleiben, verstehst du? Verstehst du nicht. Du pinkelst wie ein Rennpferd. Du bist so jung, du weißt nicht einmal, wie du einen Toilettensitz hochhalten sollst, der ständig zuklappt. Der Trick – und das sage ich dir, um dir einen Haufen unnötiger Versuche zu ersparen –, der Trick ist, dich seitlich an die Kloschüssel zu stellen und ihn mit dem Bein aufzuhalten. Oh, ich weiß, was du denkst. Du denkst, dass du das in null Komma nichts selbst herausgefunden hättest, schließlich bist du ein schlaues Kerlchen. Stimmt wahrscheinlich, aber nach wie vielen peinlichen Momenten? Und warte, bis du nach England kommst und feststellst, dass die im Badezimmer Teppichboden haben. Wenn das nicht die ekligste Blüte der westlichen Zivilisation ist! Ein Silvesterabend auf der Insel, und du gehst nie wieder barfuß. Worüber sprachen wir gerade?»
    In der Küche plündert Sheldon die Schränke und macht ihnen ein Frühstück, das aus löslichem Kaffee, Kräutertee, Keksen mit Schokostückchen und gebratenen Fischstäbchen, Wasa-Knäckebrot und getrocknetem Elchfleisch besteht.
    Zwischen den Gängen knabbert Sheldon Pistazien und pult sich die Reste mit einem Buttermesser aus den Zähnen.
    «Lass uns mal die Schränke genauer inspizieren und sehen, ob wir was Brauchbares für dich zum Anziehen finden.»
    Nach einem halbherzigen – zugegeben: männlichen – Versuch, die Küche sauber zu machen, führt Sheldon Paul in das große Schlafzimmer und fängt an, die Schränke zu durchforsten.
    In einem