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Ein seltsamer Ort zum Sterben

Ein seltsamer Ort zum Sterben

Titel: Ein seltsamer Ort zum Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derek B. Miller
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bitte einen Kaffee.»
    Gib’s doch zu. Wäre ein Schluck
akevitt
jetzt nicht viel besser?
    «Und ihr anderen, hört mir mal gut zu. Setzt euch hierher zu mir. Holt euch einen Stuhl.»
    Es dauert eine Minute, bis der Raum sich auf sie einstellt und die Bürostühle in Position rollen. Als sich der Kreis gebildet hat, hält Sigrid – jetzt sitzend, aber immer noch ohne Koffein – ihre Ansprache an die Truppe.
    «Danke, dass ihr alle so hart arbeitet. Ich weiß, es war eine lange Nacht. Bislang haben wir noch immer keine direkte Spur zu dem Jungen, dem alten Mann oder dem Tatverdächtigen. Wir haben also, um es zusammenzufassen, kein brauchbares Material von einer Videoüberwachungskamera, keine Berichte von anderen Polizeirevieren oder Streifen, keine Spuren aus der Wohnung selbst, die uns irgendeine Richtung weisen könnten, und auch keine brauchbaren Theorien.»
    Jetzt starren sie alle auf ihre Schuhe, was Sigrid als Bestätigung dafür deutet, dass ihre Zusammenfassung richtig war. Sieben sind es insgesamt. Sieben mutlose Zwerge. Und sie ist Schneewittchen, das gerade aus seinem langen Schlaf erwacht ist. Und noch nicht einmal ein Becherchen mit Kaffee findet. Nur einen Raum voll haariger Zwerge.
    «Okay. Lasst uns mal etwas über den Tellerrand schauen. Was ist kürzlich in Oslo passiert, das wir kraft unserer Phantasie mit dem aktuellen Problem in Verbindung bringen können?»
    Eine blonde Frau in den Zwanzigern hebt die Hand.
    «Ihr müsst euch nicht melden. Redet einfach drauflos.»
    «Ah so. Ein Paar wurde festgenommen, weil es nackt im Brunnen im Frogner Park badete.»
    «Sonst noch jemand?»
    «Nein, nur die beiden», sagte die junge Beamtin.
    «Das meinte ich nicht.»
    Ein anderer Polizist blättert durch seine Notizen und hebt die Hand. Sigrid deutet auf ihn.
    «Ein Mann hat einen Einkaufswagen von einem Supermarkt gestohlen. Sein Freund schob ihn den Ullevålsveien hinab. Die hatten vierzig Stundenkilometer drauf. Der zuständige Beamte hat ihnen einen Strafzettel wegen Geschwindigkeitsübertretung verpasst.»
    Sigrid schaut angesäuert.
    «Ernstzunehmende Dinge, die in dieser Stadt passieren.»
    «Zumindest nicht gestern», entgegnet der Beamte und wünscht sich sofort, er hätte es nicht gesagt.
    «Okay. Ich möchte, dass mir alles Ungewöhnliche sofort berichtet wird. Egal was. So, wie Petter das macht. Verstanden?»
    Sie schweigen, und Sigrid nickt.
    Ein Mann in den Vierzigern meldet sich zu Wort. «Es wäre leicht gewesen für den Verdächtigen, im Auto eines Freundes zu verschwinden. Das kriegen wir nämlich nicht raus.»
    «Nein», sagt Sigrid. «Daran habe ich auch gedacht. Weiß jemand, ob dieser Enver ein Auto hat, das auf seinen Namen registriert ist?»
    «Er hat keins», erwidert derselbe Beamte.
    Petter schaltet sich ein. «Ein Boot wurde vom Pier an der Akerhusstranda gestohlen.»
    «Was für ein Boot?»
    «Ein kleines Boot.»
    «Siehst du eine Verbindung.»
    «Na ja, ich dachte an das, was Mr. Horowitz da auf den Zettel geschrieben hatte, von wegen ‹Flussratten›, aber er ist ein alter, gebrechlicher Mann. Wie soll er zusammen mit einem kleinen Jungen ein Boot stehlen?»
    Sigrid nickt. Es ist ebenso plausibel, zwischen den beiden Ereignissen einen Zusammenhang zu vermuten wie ihn zu leugnen. Aber sie hört auch die Stimme ihres Vaters, die eine neue Sicht der Dinge ins Spiel bringt. Sie lauscht ihm und erklärt es dann den anderen.
    «Man kann es aber auch so sehen: Ein ehemaliger US -Marine, der in Korea gekämpft hat, glaubt, er sei auf seiner letzten Mission unterwegs und soll einen kleinen Jungen beschützen, der ihn an seinen verstorbenen Sohn erinnert. Dieser Marine ist in einer fremden Umgebung erfolgreich jeder Falle aus dem Weg gegangen, die wir ihm in den letzten sechsunddreißig Stunden gestellt haben, und niemand – auch seine engsten Familienangehörigen nicht – hat eine Ahnung, wo er sein könnte. Lasst uns also mal ein anderes Raster an den Fall anlegen. Kann es sein, dass wir da keinen senilen alten Mann verfolgen, sondern einen gerissenen alten Fuchs, der für eine edle Sache kämpft? Und kann es nicht außerdem sein, dass wir nicht ungeschickt vorgehen – obwohl das ja zutrifft –, sondern dass wir uns sogar auf einen Wettstreit eingelassen haben, den er gerade zu gewinnen im Begriff ist?»
    Sie denken schweigend darüber nach. Dann sagt Petter: «Warum bringt er den Jungen nicht zur Polizei? Er wäre doch in Sicherheit bei uns.»
    «Ich weiß nicht. Vielleicht

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