Ein silbernes Hufeisen
verladen worden und der Kutscher saß auf seinem Bock und wartete lediglich noch auf seine beiden Fahrgäste, genau wie Marion, der neben der Türe saß, um sich ein letztes Mal von Guinievaire zu verabschieden, bevor sie wieder hinausfahren sollte in die weite Welt.
Alex folgte nach draußen und eilte elegant die Stufen zum Fahrer hinab, scheinbar um die Route oder andere, wenig interessante Reisestatistiken zu besprechen. Guinievaire beschloss deshalb, diesen kurzen Moment zu nutzen, um den letzten, überraschend schweren Abschied hinter sich zu bringen. Sie machte zwei Schritte auf den Gärtner zu, der sich mit einem wehmütigen Lächeln eilig erhob.
Guinievaire nahm seine großen, warme Hände in die ihren, die kalt waren in den Handschuhen, und drückte sie, dabei sah sie ihn mit einem traurigen Gesicht an. „Auf Wiedersehen,“ erklärte sie, danach presste sie die Lippen aufeinander und Marion nickte zugleich sehr betroffen. „Ich verspreche dir, dich so bald wie möglich zu besuchen. Und danke noch einmal, Marion,“ schloss sie, woraufhin er eine bescheidene Kopfbewegung machte. Seine hellen, blauen Augen funkelten in der Sonne. Wie lieb sie ihn doch gewonnen hatte und wie merkwürdig dies war! Vermutlich würde er ihr tatsächlich fehlen, vermutlich log sie ihn noch nicht einmal an, und dies wertete sie zugleich als ein sehr gutes Zeichen: scheinbar entwickelte sie bereits etwas in sich, das an normale, menschliche Gefühle grenzte.
„Es gibt nichts, wofür du dich bedanken müsstest,“ beteuerte er mit gedrückter Stimme.
Guinievaire nickte ebenso angeschlagen, wie er es gerade getan hatte, dann stellte sie sich ein wenig auf die Zehenspitzen. Behutsam legte sie eine Hand auf seine gebräunte, stoppelige Wange und küsste ihn noch einmal so, wie sie es schon einmal getan hatte, kurz auf den äußeren Mundwinkel. Marion umarmte sie und seufzte laut und tief, dann ließen sie einander los und Guinievaire eilte die Stufen hinunter in den Wagen, in dem Alex, bemerkenswert umsichtig, bereits Platz genommen hatte und in diesem Augenblick vorgab, er hätte sie die ganze Zeit über ganz und gar nicht beobachtet.
Guinievaire setzte sich ihm gegenüber und lehnte sich aus dem Fenster, während ihr bester Freund mit der flachen Hand gegen das Holz der Decke klopfte und damit das Zeichen zur Abfahrt gab. Etwas wehmütig, aber mit einem aufbauenden Lächeln winkte sie derweil Marion, der verkrampft das Gesicht verzog und nur einmal kurz eine große Hand zum Abschied erhob. Erst als ihr Wagen das kleine Tor passiert hatte und das Haus ihrer Tante langsam hinter einer grünen Anhöhe verschwand, ließ Guinievaire sich gegen ihre Lehne fallen und seufzte ein letztes Mal über diesen unvorstellbar schwierigen Abschied, um daraufhin einer besseren Zukunft entgegensehen zu können.
Alexander hatte seine Füße schon sehr bequem links auf Guinievaires Bank gelegt und warf ihr einen aufmerksamen, wenn auch etwas unzufriedenen Blick zu. „Vielleicht wäre es ein guter Anfang für dein neues Ziel, ein artiges Mädchen zu werden, gewesen, hättest du den Gärtner nicht glauben gemacht, du würdest dich für ihn interessieren,“ sagte er mit einer leicht zu durchschauenden Absicht.
Guinievaire neigte den Kopf auf eine Seite. „Marion und ich sind Freunde,“ erwiderte sie, wobei sie sich sehr an der Tatsache erfreute, dass dieser Satz, der aus ihrem Mund eigentlich nicht mehr war als eine hohle Phrase, nun dank ihres neuen Selbst tatsächlich der Wahrheit entsprach oder dies zumindest teilweise tat: sie und Marion waren Freunde, selbst wenn sie mit ihm geschlafen hatte, was Alex aber allerdings nicht wirklich wissen musste.
„Und wie gedenkst du deinen großen Plan, dich zu bessern, zu verwirklichen?“ fragte Alex weiter neugierig, wobei er nach wie vor spöttisch klang, was kaum verwunderlich war. Ihm gefiel die Vorstellung von ihr als bravem, harmlosem Mädchen sicherlich ganz und gar nicht. Er wollte, dass Guinievaire so blieb, wie sie war – ebenso, wie er es war, denn immerhin hatte nur er sie eben so erzogen oder verzogen, wenn man es so wollte.
Sie war jedoch wild entschlossen und davon überzeugt, dass auch ihre Beziehung zu Alex von den positiven Veränderungen, die sie an ihrer eigenen Persönlichkeit vornehmen wollte, profitieren würde. „Es wird keinen Alkohol und keine Zigaretten mehr geben,“ begann sie also gnadenlos.
Alex machte ein leidendes Gesicht. „Engel, bitte, tu dir das nicht an,“
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