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Ein silbernes Hufeisen

Ein silbernes Hufeisen

Titel: Ein silbernes Hufeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Barbera
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sind Sie hier, fürchte ich, vollkommen falsch, Miss.“
    Als sie daraufhin den Kopf drehte, stellte sich dieser Jemand als ein junger Mann heraus, der offensichtlich hier arbeitete: er trug Reithosen und glänzende, schwarze Stiefel und zudem auch das absolut schrecklichste Hemd, das Guinievaire, die seit Jahren schon mit Paul Bancroft befreundet war, jemals gesehen hatte. Der Bursche war nicht eben groß gewachsen, aber er hatte breite Schultern und sah kräftig aus. Seine sperrigen, braunen Locken fielen über seine Stirne und seine wachen, braunen Augen, er hatte eine kantige Nase und lächelte Guinievaire in diesem Moment etwas vorsichtig, aber auch aufrichtig und zuvorkommend an. Sie zuckte die Augenbrauen, weil sie das Gefühl hatte, er käme ihr bekannt vor, aber wo und wann sollte sie zuvor schon die Bekanntschaft eines Stallburschen gemacht haben? Eigentlich war es eine Unverschämtheit, dass er mit ihr sprach, aber bei genauerer Betrachtung – wenn es mit viel Mühe gelang, sein grausiges Hemd zu ignorieren – stellte er sich als beinahe recht gut aussehend heraus, auf eine gesunde und bodenständige Art und Weise, also entschloss Guinievaire sich nicht ganz so arrogant zu reagieren, wie sie es durchaus getan hätte, wäre er ein wenig älter oder gar hässlicher gewesen. Der fremde junge Mann musste ungefähr ihr Alter haben, vielleicht war er schon neunzehn oder zwanzig. Wo hatte sie ihn bloß schon einmal gesehen? Inzwischen war sie sich fast sicher, dass sie ihn kannte.
    „ Nun, ich wollte auch nicht hierher kommen,“ erklärte sie ihm und spitzte dabei etwas unzufrieden die Lippen. „Aber mein Vater besteht darauf. Er lässt mich sehr gerne Dinge tun, von denen er genau weiß, dass ich sie hasse.“
    „ Wissen Sie, es ist gar nicht so schrecklich hier, wenn Sie sich etwas genauer umsehen,“ entgegnete der fremde, junge Mann.
    Guinievaire lachte abschätzig. „Das müssen Sie sagen, nicht wahr?“
    Er lachte mit ihr. „Nun, ja,“ meinte er und zuckte die starken Schultern. „Es ist der Stall meines Vaters, er wird also einmal mir gehören. Es sollte mir besser gefallen hier, nicht wahr?“
    Auf diese aufschlussreichen Worte hin musterte Guinievaire ihn ein zweites Mal, diesmal mit der Gewissheit, dass sie es ganz bestimmt nicht mit einem Angestellten der Zucht zu tun hatte. Nein, vielmehr war dies Mr Fords Sohn, und wenn Guinievaire sich recht entsann, dann war sein Name Anthony. Nun wusste sie auch wirklich sicher, dass sie ihn zuvor schon einige Male über den Weg gelaufen sein musste, denn die Fords waren reich, selbst wenn diese Umgebung anderes vermuten ließ. Sie hatten viel Geld gemacht mit ihren Pferden und deshalb verfügte dieser junge Mann auch durchaus über die Mittel, um sich in Guinievaires Kreisen bewegen zu können, wo sie ihn selten, aber dennoch ab und an schon angetroffen haben musste, selbst wenn sie bisher natürlich noch kein Wort mit ihm gewechselt hatte. Selten hatte Guinievaire Grund dazu, mit einem anderen Mann als ihrem Liebsten zu sprechen.
    „ Anthony Ford,“ stellte ihr Gegenüber sich derweil sehr höflich vor, wobei er ihr seltsamerweise die Hand entgegen streckte, um die ihre zu schütteln. Guinievaire erwiderte diese Geste, wenn auch mit einem etwas skeptischen Blick. Die meisten Männer schüttelten ihr nicht die Hand – sie küssten sie ihr zumeist mit einem schmutzigen Blick.
    „ Ich bin Guinievaire Hastings,“ sagte sie und Tony war nach wie vor überrascht, dass ihre Stimme derart tief und kühl klang. Er hatte sie sich stets ganz anders vorgestellt: leichter, unbeschwerter, unwissender sogar.
    Denn er wusste natürlich, wer sie war, immerhin kannte ein jeder, selbst er, der sich nicht scherte um die Reichen und Schönen, ihren klangvollen Namen und zudem hatte er sie schon zu verschiedenen Gelegenheiten bewundern können, wenn auch meist bloß aus angemessener Ferne. Zugegebenermaßen war sie ein schlicht herrlicher Anblick: sie war ebenso groß wie er oder beinahe etwas größer, aber sie trug rote Schuhe mit hohem Absatz, dazu ein leuchtend gelbes Kleid, dessen weißen Saum sie sich schmutzig machte, während sie mitten in seinem Hof stand. Das Haar hatte sie hoch gesteckt und um ihren Hals und an ihren Armgelenken hingen teure, präzise geschliffene Edelsteine und weiße Perlen baumelten von ihren Ohren. Sie sah aus wie ein Sonnenstrahl, dachte Tony, und erinnerte sich gleichzeitig an das winzige Bisschen Klatsch, das er über dieses Mädchen

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