Ein silbernes Hufeisen
nachdem sie ihm geduldig den Verstand geraubt hatte. Dann nahm er ihr Gesicht in seine Hände und küsste sie endlich zurück und dann fuhren sie schließlich mehr als eilig nach Hause, wo er sie tatsächlich über die Schwelle trug, wie er es gewollt hatte. Vielleicht war er zu vorsichtig, überlegte er später in der Nacht, als sie neben ihm schlief, erschöpft und still und sehr schön anzusehen. Vielleicht musste er sich wirklich keine Sorgen um sie und ihre Zuneigung machen, denn wenn Alex sich ganz nüchtern und abgeklärt mit dem Pferdejungen verglich, war dann nicht vollkommen eindeutig, welcher der beiden den heftigen Krieg um Guinievaire gewonnen hatte? Sie war seine Frau und sie liebte ihn. Alex hatte Anthony also mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln geschlagen und er war durchaus bereit, auch weiterhin so skrupellos wie es eben nötig und erforderlich war, vorzugehen. Nichts hatte er zu befürchten, schloss er, dann zog er seine Frau gegen sich und dann schlief auch er ein und er träumte in dieser Nacht und wachte sehr erholt auf.
Juni, vor zwei Jahren
Mit Schrecken sah Guinievaire dabei zu, wie ihre hübschen, roten Pumps immer tiefer und tiefer im Schlamm versanken. Das bräunliche Wasser floss durch den Stoff und bildete schaurig scheußliche Flecken. Sie trug dieses Paar heute zum ersten Mal, aber sie würde es dennoch heute Abend bereits wieder entsorgen müssen. Nun, Alex sollte ihr Neue kaufen und trotzdem, es war ein Jammer. Denn es waren wirklich hübsche, rote Schuhe.
Und all dies nur wegen dieses verfluchten Ortes. Ein Pferdezüchter mitten in ihrem herrlichen London, das grenzte beinahe an Blasphemie. Eine Großstadt sollte man nämlich nicht mit einer solch selten gebündelten Ansammlung von Schmutz und Dreck und Natur verderben. Solch riesige Stallungen gehörten einzig aufs Land, wo sie mit ihrem Gestank und ihrem unansehnlichen Exterieur niemanden zu stören vermochten. Auf diesem furchtbar schlammigen Untergrund konnte man kaum stehen in hohen Absätzen und dennoch wagte Guinievaire es nicht, den Zaun einer der eingezäumten, schmutzig grünen Wiesen zu berühren, weil das Holz sehr rissig und verkrustet aussah und vermutlich würde sie mit den Ärmeln oder dem Rock an den spitzen Splittern hängen bleiben und dann zu allem Unglück auch noch ihr Kleid oder ihren Mantel ruinieren. Warum bloß musste sie hier sein? Warum zwang ihr Vater sie nur zu derart nutzlosen Aktivitäten? Er hasste sie, deswegen tat er es. Und nun war er im Stall, zusammen mit dem fetten, kleinen Besitzer dieser Zucht, jenem Mr Ford, dessen Tiere derzeit scheinbar das Beste und einzig Wahre auf dem Markt waren, wie Alex einmal erwähnt hatte, eine Tatsache, die jedoch noch lange nicht erklärte, warum ausgerechnet Guinievaire eines von diesen teuren Ungetümen brauchte. Zudem war ihre Anwesenheit hier bei diesem Kauf vollkommen überflüssig, denn nur ihr Vater suchte eines für sie aus, sie hatte keinerlei Mitspracherecht und sie wollte es auch nicht. Später würde sie sich lediglich beständig weigern, darauf zu reiten, denn nur ausgesprochen ungerne erinnerte sie sich an ihre letzten Versuche, sich auf dem Rücken eines Pferdes zu halten.
„ Guinievaire, zum Teufel!“ erklang die verhasste Stimme ihres Vaters ein weiteres Mal ungeduldig aus dem großen, vor Dreck starrenden Holzgebäude links von ihr.
„ Ich werde dieses Ding nicht betreten,“ wiederholte sie daraufhin wieder, immerhin hatte sie nicht vollkommen den Verstand verloren. Dort drinnen gab es nichts als Holz und Heu und Spinnen und Schlamm. „Ich hasse Pferde,“ ergänzte sie gründlicherweise so laut, dass das ganze Gestüt es zur Kenntnis nehmen musste.
Wie sehr sie sich doch zurück in ihr Bett wünschte! Es war viel zu früh und sie hatte wieder einmal kaum geschlafen, also schmerzte ihr Kopf, genau wie ihre Füße, dank der hübschen, ruinierten Schuhe. Und außerdem hatte sie sogar ein wenig Hunger, also warum zum Teufel, fragte sie sich noch einmal, musste sie hier sein? Das Wetter war wundervoll heute und bisher hatte sie keinerlei Pläne. Voller Sehnsucht sah Guinievaire die Straße herab, um deren Ecke der blaue Wagen ihres Lords geparkt stand, in dem ihr perfekter Mann alleine nur auf sie geduldig, wie es ihm so fern lag, wartete und sich dabei wieder einmal vor ihrem schrecklichen Vater versteckte.
„ Wenn Sie Pferde hassen,“ sagte plötzlich jemand, dessen Kommen Guinievaire nicht bemerkt hatte, „dann
Weitere Kostenlose Bücher