Ein skandaloeser Kuss
Möglichkeit, Ihren Eltern die Vormundschaft für Sie zu entziehen, wenn sie sich nicht zur Vernunft bringen lassen.“
Sie war ohne Zweifel die schlimmste, undankbarste Lügnerin auf der ganzen Welt. Nell sah auf ihre Hände, die sie auf dem Schoß um die Tasse gefaltet hatte.
Was würde geschehen, wenn seine Freunde erfuhren, dass sie ihn getäuscht und dazu verleitet hatte zu glauben, dass er der Tochter des Duke of Wymerton half statt der mittellosen Nell Springley, deren Vater nur ein unbedeutender Kanzleischreiber gewesen war?
Was würde er von ihr denken, wenn sie sich dann schon wieder davongemacht hatte oder wenn Lord Sturmpole sie fand und festnehmen ließ?
„Ich dachte, es würde Sie freuen“, sagte Bromwell verwundert. „Oder sind Sie noch immer verstimmt wegen meines Vaters? Das müssen Sie nicht. Ich bin an seine Ränkespiele gewöhnt.“
„Das ist es nicht.“ Sie sah ihn niedergeschlagen an. Was immer passieren würde, sie konnte es nicht ertragen, Lord Bromwell auch nur eine weitere Minute zu hintergehen. Alles, was er sagte und tat, fühlte sich an wie ein Dolchstoß in ihre Rippen, ein weiterer Schritt in die sichere Verdammnis. Es war Zeit, dass sie diesem Mann, der so ehrenwert, so gütig und so großzügig war, reinen Wein einschenkte. „Ich bin nicht die Tochter eines Dukes. Ich bin nicht Lady Eleanor Springford. Ich heiße Nell Springley, und ich bin eine Diebin.“
Bromwell hörte die Worte, begriff ihre Bedeutung, und gleichzeitig fühlte er sich wie vor den Kopf geschlagen.
Sie war nicht Lady Eleanor, die Tochter des Duke of Wymerton? Sie war jemand ganz anderes – und eine Diebin ?
„Ich habe Lord Sturmpole of Staynesborough, das heißt seiner Gattin, Geld und ein paar Kleider gestohlen“, fuhr sie hastig fort. „Nicht aus Habgier oder weil Stehlen zu meinen Gewohnheiten gehört. Mein Großvater väterlicherseits war ein Baronet und der Vater meiner Mutter ein ehrbarer Kaufmann. Meine Eltern sorgten dafür, dass ich eine gute Erziehung erhielt, und schickten mich auf eine angesehene Schule, aber nachdem sie bei einer Fieberepidemie kurz hintereinander gestorben waren, fand ich heraus, dass mein Vater ein Spieler gewesen war. Er hatte alles durchgebracht und ich stand mittellos da. Durch eine Schulfreundin fand ich die Anstellung als Gesellschafterin bei Lady Sturmpole, auf dem Anwesen ihres Gatten in Yorkshire.“
Sie hob die Schultern. „Lord Sturmpole hielt sich nicht dort auf, und ich sah keinen Penny meines vereinbarten Lohns. Als ich mich bei Lady Sturmpole beschwerte, verwies sie mich an ihren Gatten. Ich schrieb ihm einen Brief, und in seinem Antwortschreiben entschuldigte er sich und versprach, mir die gesamte Summe auszuzahlen, sobald er persönlich auf dem Anwesen einträfe. Lady Sturmpole versicherte mir, ihr Gatte würde alles in Ordnung bringen, wenn er aus London zurück sei, und da ich kein Geld hatte und weder jemanden, an den ich mich wenden konnte, noch einen Ort, an dem ich Aufnahme finden würde, blieb ich.“
Sie schwieg einen Moment, und eine Falte erschien an ihrer Nasenwurzel. „Lord Sturmpole traf ein, nachdem ich bereits fünf Monate dort war. Er ließ mich in sein Arbeitszimmer rufen. Um mir meinen Lohn auszuzahlen, nahm ich an. Ich wollte ihm auch gleich mein Kündigungsschreiben überreichen, doch als ich vor ihm stand, erklärte er mir, er würde mir gern alles zahlen, was er mir schuldet, und mehr, wenn ich …“ Sie errötete und holte zitternd Luft. „Wenn ich ihm gestatte, in mein Bett zu kommen.“
Bromwell sagte nichts. Er konnte nicht. Noch nie in seinem Leben war er so empört gewesen, so wütend und zornig, und nicht einmal der übelste Schimpfname schien angemessen, einen Mann zu beschreiben, der sie derart geringschätzig behandelt und ihr ein solch unzüchtiges Angebot gemacht hatte.
„Natürlich lehnte ich ab und verlangte meinen Lohn, doch anstatt mir mein Geld zu geben, versuchte er … Er versuchte …“
Sie verstummte gequält und senkte den Blick.
Bromwell stellte die Tasse ab, ehe er sie noch vor Wut zerschmetterte. „Sie müssen nicht weitererzählen. Ich kann mir vorstellen, was er zu tun versuchte. Er kann Gott danken, dass es ihm nicht gelungen ist.“
Sonst würde ich ihn zur Strecke bringen und ihn töten.
„Nein, er kam nicht zum Ziel. Ich wehrte mich, und als er davon genug hatte, sperrte er mich in seinem Arbeitszimmer ein. Ich rief nach den Dienern, aber keiner von ihnen traute sich, mir zu Hilfe
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