Ein skandalöses Rendezvous (German Edition)
oder Schlimmeres. Sie bleiben hier, bis der Friedensrichter kommt, und bis dahin werden wir entscheiden, was wir ihm sagen werden.«
Sie rückte näher. Bei seinen Reinigungsversuchen hatte er eine Stelle an der Rückseite seines Arms übersehen. »Erlauben Sie mir, Ihnen zu helfen. Geben Sie mir das Tuch.«
Er reichte es ihr. Sie tupfte das schwarze Pulver fort. Nun konnte sie die Wunde besser sehen. Sie war nicht tief, hatte aber einen ziemlich breiten verbrannten Rand. Sie bezweifelte trotzdem, dass ein Arzt mehr hätte tun können, als sie zu säubern.
»Konnten Sie ihn gut sehen?«, fragte er. »Den Domino?«
»Glauben Sie, dass er es war?«
»Ich bin davon überzeugt. Er muss mitgehört haben, wie mir der Weg zu diesem Zimmer beschrieben wurde, und dachte, dass Kelmsleigh hier wäre. Haben Sie sein Gesicht gesehen? Würden Sie ihn wiedererkennen?«
Audrianna rief sich den Moment wieder ins Gedächtnis. Sie versuchte, die Ereignisse zu verlangsamen. Als er auf sie zugegangen war, hatte sie einen Blick auf das Gesicht des Eindringlings unter seinem breitkrempigen Hut werfen können. Sie erinnerte sich an seine Überraschung, sie dort vorzufinden, halb verdeckt durch Lord Sebastian, dann sein Schrecken, als er die Pistole in Sebastians Hand bemerkte.
»Ja, ich glaube, ich würde ihn wiedererkennen. Denken Sie, dass er noch hier ist?«
»Er hat gerade auf einen Mann geschossen und ist inzwischen wahrscheinlich schon über alle Berge. Aber es ist gut, dass einer von uns beiden sein Gesicht gesehen hat. Das könnte später nützlich sein.«
Er klang entschlossen und zornig. Sie bezweifelte, dass sein fortgesetztes Interesse an dem Domino ihr eigenes Anliegen begünstigen würde.
Er brütete weiter vor sich hin, während sie tupfte und reinigte. Dann drehte er sich mit finsterem Blick zu ihr um. »Sie hätten wirklich nicht herkommen sollen. Was haben Sie sich bloß dabei gedacht?«
»Ich dachte mir, dass sich niemand sonst für die Wahrheit interessiert und ich die Sache deswegen selbst in die Hand nehmen muss.«
»Sie haben eine unnötige Komplikation und Ablenkung geschaffen.«
»Ich glaube nicht, dass sich ein Mann wie Sie leicht ablenken lässt. Noch gebe ich mich der Illusion hin, dass ich die Art Frau bin, die einen Mann dazu bringen kann, sich zu vergessen. Doch ich erinnere Sie daran, dass jene Ablenkung, die zu dieser Verwundung führte, Ihr eigenes Werk ist.«
Bei dieser Anschuldigung funkelten seine Augen, aber das Feuer erlosch bald. Sein Gesicht blieb weiterhin ernst, doch er machte ihr keine erneuten Vorwürfe.
Audriannas Blut kochte jetzt ebenfalls. Die Ereignisse und Unterhaltungen dieses Abends verlangten nach einer Erklärung.
»Sie sprachen von einer Verschwörung, Lord Sebastian. Was meinten Sie damit?«
»Ich glaube nicht, dass sich Ihr Vater der Fahrlässigkeit schuldig gemacht hat. Und ich glaube nicht, dass das schlechte Schießpulver, dass diese Soldaten wehrlos machte, ein Versehen war.«
Seine Antwort schockierte sie. Er deutete an, Ihr Vater hätte absichtlich schlechtes Schießpulver an die Front geschickt. »Wie können Sie es wagen! Reicht es nicht, dass er unrechtmäßig bis zur Verzweiflung blamiert wurde? Ihn jetzt zu beschuldigen … «
»Er war der letzte Qualitätsprüfer in einer langen Reihe von Durchläufen. Die Auslieferung war nicht ohne seine Unterschrift möglich. Ob er nun der Nachlässigkeit oder der Verschwörung schuldig war, die Aufmerksamkeit hat sich nicht ohne Grund auf ihn gerichtet, Miss Kelmsleigh. Es tut mir leid, aber das ist die Wahrheit.«
Sie wollte ihn für diese Beleidigung schlagen. Stattdessen tupfte sie immer stärker, während ihr Tränen der Wut die Sicht verschleierten. »Das ist nicht die Wahrheit. Sie irren sich. Mein Vater war unschuldig.«
Plötzlich legte sich seine Hand über ihre und hielt sie fest. Dieser Griff deutete darauf hin, dass sie ihm mehr wehgetan hatte, als ihr klar gewesen war, und ihre Nähe zu seinem immer noch stoischen Gesicht stellte eine unerwartete Intimität her.
Ihre Bestürzung über seine Andeutungen bezüglich ihres Vaters vermischte sich mit einer neuen Überraschung. Sie begriff, dass er ihre Hand hielt, um ihren Kummer zu lindern.
Niemand hatte das je zuvor getan. Nicht seitdem der Skandal ausgebrochen war. Nicht Mama, die zuerst so voller Sorge und nun voller Trauer war, und sicherlich nicht Roger. Nicht einmal ihre Cousine Daphne, die am liebsten die ganze Geschichte wie in einem Buch für
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