Ein skandalöses Rendezvous (German Edition)
Zeit, Gefängniswärter zu spielen, also überlasse ich das Ihnen, Sir. Auch dabei werde ich mich auf Ihr Wort verlassen. Haben Sie ein Auge auf diese Person und achten Sie darauf, dass sie hier bleibt, bis der Richter eintrifft.«
»Wenn Sie darauf bestehen. Gehen Sie jetzt.«
Sein Befehl war leise, aber mit solcher Autorität ausgesprochen, dass der Gastwirt sofort zur Tür ging. Die Menge begann, sich zu zerstreuen und ihm Platz zu machen.
»Du auch, Hawkeswell«, ergänzte Lord Sebastian. »Ich brauche etwas Ruhe. Außerdem bitte ich dich um deine Diskretion, auch wenn es nicht viel hilft. Ich bin mir sicher, dass du das verstehst.«
»Ich gewähre dir gerne beides. Und ich habe ein zusätzliches Hemd in meinem Gepäck. Ich werde es dir bringen lassen.« Er verneigte sich leicht vor Audrianna und folgte dem Wirt aus dem Zimmer.
3
Lord Sebastian schloss die Tür vor den neugierigen Nachzüglern, die ihre Nase um den Türpfosten streckten. Dann ging er zum Feuer und besah sich die Wunde genauer.
»Warum ist sie so schwarz?«, fragte Audrianna.
»Wegen des heißen Schießpulvers. Die Kugel hat mich zwar nur gestreift, aber die Stelle ist ziemlich versengt.«
Er sah sie an. »Ihr Name. Ich brauche ihn jetzt, und wagen Sie es nicht, mich anzulügen. Der Friedensrichter wird ihn mit Sicherheit aus Ihnen herausbekommen, und ich will nicht im Dunkeln darüber bleiben, was hier eigentlich vorgeht.«
Sie war zu erschüttert und verängstigt, um zu lügen. »Ich bin Audrianna Kelmsleigh, Horatio Kelmsleighs Tochter.«
Überrascht entglitten ihm die Gesichtszüge.
»Ich sah eine Zeitungsanzeige von jemandem, der sich selbst der Domino nannte, und es schien, als sei sie an meinen Vater gerichtet«, erklärte sie. »Statt seiner kam ich hierher, um herauszufinden, ob dieser Mann über Informationen verfügte, die den Namen meines Vaters hätten reinwaschen können.« Am Tag zuvor hatte alles noch so richtig, so notwendig geklungen. »Warum sind Sie hier?«
»Ich habe die Anzeige ebenfalls gesehen und genau wie Sie gehofft, mit diesem Domino sprechen zu können.«
»Warum? Mein Vater ist tot. Die Welt hat sich weitergedreht.«
»Ich glaube, dass mehr dahintersteckt.«
»Ich verstehe nicht, wie Sie etwas von dieser Person erfahren wollten, indem Sie sich selbst als Domino ausgeben.«
»Mein Plan bestand darin, mich als Kelmsleigh auszugeben. Als Sie annahmen, dass ich der Domino sei, entschied ich mich, mitzuspielen und herauszufinden, wer diese unerwartete Frau ist und welche Rolle sie in der Verschwörung spielt.«
In der Verschwörung?
Die Tür wurde geöffnet. Ein Dienstmädchen trug eine Schüssel und einen Krug Wasser herein. Dann legte sie ein paar saubere Tücher auf das Bett. »Ein Herr von unten hat mich außerdem gebeten, Ihnen dieses Hemd zu bringen«, sagte sie, starrte Audrianna unverhohlen neugierig an und eilte dann wieder hinaus.
Lord Sebastian stellte den Krug neben das Kaminfeuer. Er setzte sich aufs Bett und legte erst seine Weste ab, dann das zerrissene Hemd. Als der Stoff die Wunde berührte, verzog er schmerzerfüllt sein Gesicht.
Audrianna blinzelte erschrocken. Dieser Mann war nun weniger als leicht bekleidet. Dort saß er, mit der Wunde beschäftigt, halb entkleidet, halb nackt, wenn man ehrlich sein wollte. Er schien es nicht im Geringsten seltsam zu finden, dass sie gleich neben ihm saß.
Noch nie zuvor hatte sie einen Mann ohne sein Hemd gesehen. Sie bemühte sich, ein abgeklärtes Desinteresse vorzutäuschen, aber sie konnte nicht umhin zu bemerken, dass Lord Sebastian kein schlechter Anfang war, wenn man als Frau zum ersten Mal in seinem Leben einen halb nackten Mann erblickte. Auch wenn er kein Knabe mehr war, besaß er doch immer noch die bestechende Schlankheit der Jugend und kräftige Muskeln, die sich auf seinem Oberkörper abzeichneten.
»Ich benötige jetzt diesen Stuhl, Miss Kelmsleigh. Wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
Sie sprang von ihrem Platz. Er drehte den Stuhl vor das Feuer und setzte sich umgekehrt mit gespreizten Beinen darauf. Mit dem inzwischen erwärmten Wasser und etwas Seife begann er, die Wunde an seinem Oberarm zu reinigen.
Sie nahm an, dass es ihn schmerzte, aber er zeigte keine Reaktion. Vielleicht war er sich ihrer Anwesenheit doch nicht so unbewusst, wie es schien.
»Ich werde nach unten gehen, während Sie … «
»Ich habe mein Wort gegeben, dass Sie dieses Zimmer nicht verlassen werden. Außerdem erwartet Sie dort unten nichts als Verachtung
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