Ein Sohn für den Scheich
Qualen.
“Natürlich nicht”, erwiderte er empört. “Wenn ich das je vorgehabt hätte, wärst du jetzt nicht hier”, fügte er hinzu. “Was allerdings auch bedeutet, dass du noch eine Weile bleiben musst – ob es dir gefällt oder nicht.”
An seinem verzweifelten Blick konnte Leona erkennen, dass sie ihn um eine Erklärung nicht erst bitten musste. Er schien entschlossen, ihr endlich reinen Wein einzuschenken, auch wenn es ihm unendlich schwerfallen würde.
“Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, hatten gewisse Kreise beschlossen, dich zu entführen”, überwand er sich schließlich. “Als ich davon erfuhr, habe ich ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht, indem ich ihnen zuvorgekommen bin.”
“Weißt du, wer sich hinter diesen ‘gewissen Kreisen’ verbirgt?”, erkundigte sie sich ängstlich, auch wenn sie die Antwort zu kennen glaubte.
“Bislang ist es kaum mehr als eine Vermutung”, erwiderte Hassan ausweichend. “Fest steht lediglich, dass deine Entführung für gestern Abend geplant war. Wenn dein Vater, wie beabsichtigt, rechtzeitig aus London zurückgekommen wäre, hätte er Ethan zu der Party im Hafen begleitet, und du wärst allein in der Villa geblieben – die ideale Gelegenheit, um dich zu …”
“Deshalb hast du also dafür gesorgt, dass er an diesem Abend nicht in San Estéban war”, unterbrach Leona ihn.
“Nicht nur das”, bestätigte Hassan. “Ich habe jeden deiner Schritte überwachen lassen, und der Fahrer, der Ethan und dich zum Hafen gebracht hat, war einer meiner besten Männer. Es gab keinen Moment, in dem du ernstlich in Gefahr warst.”
Was als Beruhigung gedacht war, jagte Leona selbst nachträglich einen solchen Schreck ein, dass sie am ganzen Körper zu beben begann. Trotzdem fand sie die Kraft, Hassans Versuch, sie tröstend in die Arme zu nehmen, zu unterbinden.
Bislang hatte sie annehmen müssen, er habe mit ihrer Entführung ausschließlich eigene Interessen verfolgt. Entsprechend schwer fiel es ihr, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass er sie damit vor ungleich größerem Unheil bewahrt hatte.
“Warum seid ihr Araber bloß nicht in der Lage, euch wie gesittete Menschen zu benehmen?”, platzte sie wutentbrannt heraus und sprang auf. “Das Mindeste wäre gewesen, dass du nicht nur meinen Vater, sondern vor allem mich eingeweiht hättest”, warf sie ihm vor. “Und wenn du nach meinem ersten Brief in die Scheidung eingewilligt hättest, wäre es nie so weit gekommen!”
Der Vorwurf, sich wie ein unzivilisierter Wilder benommen zu haben, lastete ebenso schwer auf Hassan wie der, die Gefahr durch seine Weigerung, in die Scheidung einzuwilligen, erst heraufbeschworen zu haben.
Doch ehe er widersprechen konnte, kam Leona ihm zuvor. “Ich verfluche den Tag, an dem ich dir begegnet bin”, sagte sie in ihrer Verzweiflung. “Als wäre ich damit nicht gestraft genug, gerate ich nun auch noch in die Mühlsteine der Politik, wie ihr eure schmutzigen Geschäfte nennt! Kannst du mir vielleicht sagen, was jetzt aus mir werden soll? Glaubst du wirklich, ich hätte Lust, bis ans Ende meiner Tage mit der Angst vor einer Entführung zu leben, nur weil du zu stur bist, dich von mir scheiden zu lassen?”
“Solange du unter meinem persönlichen Schutz stehst, wird niemand es wagen …”
“Sagtest du ‘Schutz’?”, fiel sie ihm erbost ins Wort. “Du bist keinen Deut besser als die, vor denen du mich angeblich beschützen willst. Oder bist du etwa davor zurückgeschreckt, mich in deine Gewalt zu bringen, um bestimmte politische Ziele durchzusetzen?”
Die ungehemmte Wut und Enttäuschung, die sie ihm entgegenbrachte, verletzten Hassan zutiefst. Doch dass sich Leona zu solchen Entgleisungen hinreißen ließ, schrieb er der Angst zu, die sie ausstand. “Ich verstehe dich nur allzu gut”, sagte er deshalb. “Trotzdem …”
“Dann wirst du sicherlich auch verstehen, dass ich endlich mein eigenes Leben führen will”, unterbrach sie ihn erneut. “Für dich ist darin kein Platz mehr.”
Wie ihr gehetzter Gesichtsausdruck deutlich verriet, war Leona so außer sich vor Wut, dass sie selbst nicht wusste, was sie sagte. Trotzdem hatte sie eine Grenze überschritten, hinter die es kein Zurück gab – erst recht nicht für Hassan, dessen Stolz der Liebe zu seiner Frau in nichts nachstand.
“Wenn es dir so ernst damit ist, sollst du deinen Willen haben”, erwiderte er mit einer Kälte, die ihn selbst erschreckte. “Du kannst deinem
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