Ein Sohn für den Scheich
der Mann, den sie über alles liebte, längst wieder jene aristokratische Selbstbeherrschung ausstrahlte, derentwegen sie sich vor einem Jahr schweren Herzens von ihm getrennt hatte.
“Vergiss unsere Abmachung nicht”, sagte sie mit einer Gefasstheit, über die sie selbst erschrak. “Du hast mir versprochen, mich nach Hause zu bringen.”
Hassan hatte inzwischen die Kabinentür erreicht und die Hand bereits auf die Klinke gelegt. Ohne sich umzudrehen, hielt er in der Bewegung inne.
“Du bist zu Hause, Leona”, sagte er schließlich und verließ den Raum, ehe sie etwas erwidern konnte.
Während Leona unter der Dusche stand, suchte Hassan Ethan in dessen Kabine auf. Bis auf einige blaue Flecken schien er keine Blessuren davongetragen zu haben, sodass vor allem seine Wut an den Vorfall vom Vortag erinnerte.
“Was haben Sie sich bloß dabei gedacht?”, fragte er empört.
Dieselbe Frage hatte sich Hassan bereits mehrfach gestellt, ohne eine befriedigende Antwort zu finden. “Ich bitte um Entschuldigung für meine Männer”, erwiderte er ausweichend. “Ich fürchte, sie sind ein wenig zu weit gegangen.”
“Das können Sie laut sagen”, bestätigte Ethan und strich sich unwillkürlich über das schmerzende Kinn. “Der Kinnhaken hat mich für eine Weile außer Gefecht gesetzt, und als ich wieder zu mir kam, befand ich mich auf dieser Yacht. Von Leona fehlte allerdings jede Spur. Was haben Sie mit ihr gemacht?”
“Sei war bei mir, falls Sie das beruhigt.”
“Ganz und gar nicht”, erwiderte Ethan bestimmt. “Dafür weiß ich zu gut, was Sie ihr angetan haben.”
Es kostete Hassan alle Mühe, den Vorwurf unwidersprochen zu lassen. Doch angesichts des Zeitdrucks, unter dem er stand, blieb ihm keine andere Wahl. Wenn sein Plan aufgehen sollte, war er auf Ethans Hilfe angewiesen, und sich mit ihm auf eine langwierige Diskussion einzulassen bedeutete, Leona unnötig in Gefahr zu bringen.
Zu seiner großen Erleichterung zeigte sich Ethan einsichtiger, als er zu hoffen gewagt hatte, und willigte nach kurzem Zögern ein, von Bord zu gehen, ohne Leona vorher gesehen zu haben.
“Weiß sie von dem Komplott?”, wollte er jedoch wissen.
“Noch nicht”, gestand Hassan. “Nach Möglichkeit soll sie auch nie etwas davon erfahren.”
“Und wie wollen Sie ihr erklären, dass ich mich ohne sie an Land habe bringen lassen?”
“Das weiß ich, ehrlich gesagt, auch noch nicht”, gab Hassan schweren Herzens zu.
Zum selben Zeitpunkt zog sich Leona das Jackett eines weißen Hosenanzugs über das lindgrüne Trägertop. Das Haar hatte sie mit einem Seidentuch zu einem Pferdeschwanz gebunden, und an den Füßen trug sie bequeme Sandaletten, die sie ebenfalls in dem reich bestückten Schrank gefunden hatte.
Nachdem sie sich mit einem Blick in den Spiegel davon vergewissert hatte, dass sie für die unvermeidliche Auseinandersetzung mit Hassan gerüstet war, verließ sie die Kabine und ging an Deck. Dort erwartete sie ein bärtiger Mann in der traditionellen arabischen Kleidung, bestehend aus einem langen, fließenden Kaftan und einem schneeweißen Turban.
“Faysal!”, rief Leona erfreut, als sie den Mann erkannte, der offenbar beauftragt worden war, sie abzuholen und zu ihrem Ehemann zu bringen. “Wie geht es dir?”
“Sehr gut, Prinzessin”, erwiderte er höflich, wenngleich ihn die fast freundschaftliche Begrüßung sichtlich verlegen machte.
“Deiner Frau hoffentlich auch”, erkundigte sich Leona gleichwohl.
“Dank Ihrer Hilfe geht es ihr wieder ausgezeichnet”, bestätigte Faysal. “Wenn Sie nicht darauf bestanden hätten, dass die besten Ärzte sie behandeln …”
“Ich habe nicht mehr als meine Pflicht getan”, wies Leona das Kompliment zurück, ehe Faysal es ausgesprochen hatte.
“O nein”, widersprach er bestimmt. “Sie haben ihr das Leben gerettet.”
Um Faysal nicht zu kränken, verzichtete Leona darauf, ihm erneut zu widersprechen. Stattdessen ließ sie sich von ihm über die riesige Yacht bis zu einer Treppe führen, an deren Fuß er sich mit einer Verbeugung verabschiedete.
Als Leona die letzte Stufe zum Sonnendeck genommen hatte und an die Reling getreten war, bot sich ihr ein atemberaubender Ausblick auf das türkisfarbene Mittelmeer, über dem sich ein wolkenlos blauer Himmel erhob. Trotz der frühen Stunde hatte die Sonne bereits so viel Kraft, dass Leona die Hand über die Augen legen musste, um nicht geblendet zu werden.
“Komm lieber in den Schatten”, forderte eine
Weitere Kostenlose Bücher