Ein Sohn für den Scheich
Territorium, und die Tanks, in denen es auf den Abtransport wartet, stehen auf meinem Grund und Boden. Die Verträge, in denen all das geregelt ist, sind mehr als dreißig Jahre alt, und die Unterschrift unserer Väter hat bis zum heutigen Tag garantiert, dass es nie zu Problemen gekommen ist. Doch woher nehme ich die Sicherheit, dass das so bleibt, wenn einer der Vertragspartner wechselt?”
Mit seiner kurzen Rede war Raschid ein diplomatisches Meisterstück gelungen, denn obwohl er es nicht ausgesprochen hatte, war allen Anwesenden schmerzlich klar, worauf er sie dezent hatte hinweisen wollen.
Aufgrund seiner geographischen Lage war Rahman auf das Wohlwollen Behrans angewiesen. Die Verträge, die den Durchfluss des schwarzen Goldes, wie das Erdöl genannt wurde, regelten, waren in der Tat dreißig Jahre alt. Genauso alt waren auch die Vereinbarungen über den Preis, den Rahman dafür zu entrichten hatte. So lächerlich gering er deshalb war, so hoch war der Gewinn in den Kassen vor allem jener Scheichs, die nun an Hassans Stuhl sägten.
“Deine Sorge ist völlig unbegründet.” Jibril, der das Thema aufgebracht hatte, fand als Erster die Sprache wieder. Er wirkte sichtlich besorgt, denn Raschid war niemand, der leere Drohungen ausstieß. “Wir haben nicht das geringste Interesse, an den Machtverhältnissen in Rahman etwas zu ändern. Hassan hat unsere volle Unterstützung.”
“Dann scheine ich vorhin etwas falsch verstanden zu haben”, erwiderte Raschid, ohne sich seine Genugtuung anmerken zu lassen. “Einen Moment dachte ich, ihr wolltet Hassan das Recht versagen, Nachfolger seines Vaters zu werden.”
“Nichts liegt uns ferner”, beteuerte Jibril, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass er Abdul endgültig in den Rücken fiel. “Wir sorgen uns lediglich um die Zukunft seiner Familie und fragen uns, ob er nicht in Erwägung ziehen sollte …”
“Diese Entscheidung sollten wir ihm selbst überlassen”, beendete Raschid die Diskussion.
“Vielen Dank, Raschid”, sagte Hassan, nachdem die anderen Männer gegangen waren. “Ich stehe tief in deiner Schuld.”
“Davon kann keine Rede sein”, erwiderte Raschid. “Ich habe genauso wenig Interesse wie du daran, dass ein Mitglied der Familie Al-Yasin an die Macht kommt. Trotzdem wüsste ich gern, wen du als deinen Nachfolger auserkoren hast, falls Leona und du tatsächlich keine Kinder bekommen solltet.”
“Rafiq”, antwortete Hassan wie aus der Pistole geschossen.
“Traut er sich das denn zu?”
“Im Fall des Falles wird ihm nichts anderes übrig bleiben”, erwiderte Hassan bitter.
Raschid nickte nachdenklich, ehe er den Arm hob und Hassan einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter gab. “Ganz so grimmig brauchst du trotzdem nicht dreinzuschaun”, munterte er ihn auf. “Ich finde, wir können mit unserer kleinen Vorstellung ganz zufrieden sein.”
Doch Hassan war alles andere als zum Lachen zumute. Mit hängendem Kopf ging er zu dem großen Panoramafenster und sah hinaus aufs Meer. Plötzlich fielen ihm zwei Jetskis auf, die in atemberaubendem Tempo über die Wellen glitten. Das wehende rotblonde Haar verriet unschwer, dass einer der beiden Piloten Leona war, und in dem anderen meinte Hassan Samir zu erkennen.
“Das schon”, erwiderte er bedrückt. “Mein eigentliches Ziel habe ich trotzdem nicht erreicht, denn wenn mich nicht alles täuscht, habe ich Leona für immer verloren. Oder denkst du anders darüber?”, fragte er unvermittelt und wandte sich Rat suchend zu seinem Freund um. Als er Raschids Gesicht sah, wusste er die Antwort, und blickte wieder zum Fenster hinaus.
“Evie hat sich mir anvertraut”, erwiderte Raschid endlich. “Ich muss gestehen, dass ich ziemlich erschüttert …”
“Bitte nicht!”
Hassans verzweifelter Schrei ließ Raschid aufschrecken. “Was ist passiert?”, fragte er besorgt und ging zum Fenster.
“Leonas Jetski muss gegen ein Hindernis geprallt sein”, stieß Hassan atemlos hervor. “Sie ist kopfüber ins Wasser gestürzt.”
Ängstlich suchte er den Horizont nach seiner Frau ab, doch als sie nach einigen Sekunden, die ihm wie eine Ewigkeit erschienen, immer noch nicht aufgetaucht war, drehte er sich um und lief an Deck.
Raschid hatte größte Mühe, ihm zu folgen, und so erreichte er das Heck der Yacht erst, als Hassan bereits den Motor des Schlauchbootes angelassen hatte, das aus Sicherheitsgründen immer dann dort vertäut war, wenn sich jemand die Zeit mit Wassersport
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