Ein Sohn für den Scheich
die seelische Nähe eingebüßt hatten.
Sie sollte sich nicht geirrt haben, denn Hassan schien erneut die Selbstbeherrschung verloren zu haben – dieses Mal jedoch auf ganz andere Art als wenige Minuten zuvor.
Ohne Leona eines Blickes zu würdigen, stürmte er ins Bad und ließ die Tür mit einem lauten Krachen hinter sich ins Schloss fallen. Wie oft hatte er das bedrückende Schweigen verflucht, das mit erschreckender Regelmäßigkeit einsetzte, nachdem er mit Leona geschlafen hatte. Doch unvergleichlich schlimmer war es, dass sie unverhohlen von Trennung sprach, während sie noch vereinigt waren.
Leona war sich schmerzlich bewusst, dass sie die tragische Wahrheit zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt ausgesprochen hatte. Doch das war immer noch besser, als weiterhin erleben zu müssen, wie sehr Hassan jedes Mal litt, wenn er sie gemeinsam mit Hashim sah.
Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, tröstete sie sich mit einem alten Sprichwort, als sich mit unvermittelter Heftigkeit die Übelkeit einstellte, die sie seit Tagen quälte.
Auch wenn sich alles in ihr dagegen sträubte, blieb ihr nichts anderes übrig, als Hassan ins Bad zu folgen. Sicherheitshalber legte sie eine Hand vor den Mund und zog mit der anderen die Pyjamahose hoch, während sie sich der Tür näherte.
Als sie sie öffnen wollte, wurde sie plötzlich aufgerissen, und vor ihr stand ein Mann, der in nichts an den erinnerte, der ihr noch vor wenigen Minuten seine unvergleichliche Leidenschaft und Zärtlichkeit geschenkt hatte.
“Du sollst deinen Willen haben”, sagte Hassan mit einer Kälte, die Leona unwillkürlich frösteln ließ. “Sobald es die Umstände erlauben, werde ich meine Anwälte beauftragen, die Scheidung in die Wege zu leiten. Bis dahin werde ich dich nicht mehr behelligen.”
Leona musste einsehen, dass sie Hassans Stolz mehr mit Füßen getreten hatte, als ihr bewusst gewesen war. So war sie fast erleichtert, dass die Übelkeit ihr keine andere Wahl ließ, als sich wortlos an ihm vorbei ins Bad zu drängen und in letzter Sekunde die Tür hinter sich zu schließen.
8. KAPITEL
Nach einer schlaflosen Nacht an Deck stand Hassans Entschluss fest. Niemand konnte voraussagen, was aus Leona und ihm werden mochte. Sicher hingegen war, dass er sich seine Entscheidungen viel zu lange von Menschen hatte diktieren lassen, die er ebenso verabscheute wie die Zwänge der Politik, die Leona zu Recht ein “verlogenes Spiel” genannt hatte, an dem er sich keinen Tag länger beteiligen wollte.
Deshalb ließ er Rafiq bereits im Morgengrauen zu sich kommen. “Sorge dafür, dass sich die Scheichs um zehn Uhr im Salon einfinden”, ordnete er an, ohne ihn in Einzelheiten seines Plans einzuweihen. “Ich habe ihnen etwas mitzuteilen.”
Als er Hassans Entschlossenheit bemerkte, verzichtete Rafiq darauf, ihn nach dem Grund für das Treffen zu fragen, und ließ ihn mit einer Verbeugung wissen, dass er den Auftrag ausführen würde.
Derweil ging Hassan zum Funkoffizier und trug ihm auf, eine Verbindung zu seinem Vater herzustellen.
Nachdem das Gespräch beendet war, sah er kurz in den Frühstücksraum, wo sich in der Zwischenzeit sämtliche Gäste eingefunden hatten. Einzig nach Leona hielt er vergeblich Ausschau.
Ist sie in der Kabine geblieben, weil es ihr nicht gut geht? Oder will sie der Begegnung mit mir ausweichen? fragte er sich unwillkürlich, um die Suche nach einer Antwort zu verschieben. Bis zehn Uhr blieb ihm nicht mehr viel Zeit, und bis dahin musste er sich noch mit seinem wichtigsten Verbündeten absprechen.
“Hältst du das wirklich für eine gute Idee?”, wandte Raschid ein, nachdem Hassan ihn in seinen Plan eingeweiht hatte. “Noch liegen einige Tage auf See vor uns, und niemand kann dir garantieren, dass der Waffenstillstand, den du dir erhoffst, so lange hält.”
“Das muss ich riskieren”, erwiderte Hassan entschlossen. “Leona kann ich die Ungewissheit keinen Tag länger zumuten, und wenn ich Abdul und Zafina nicht bald Grenzen aufzeige, tanzen sie mir demnächst auf der Nase herum. Mit meinem Vater habe ich vorhin über Funk gesprochen. Er ist derselben Auffassung wie ich. Jetzt hängt alles von dir ab.”
“Wie du meinst”, stimmte Raschid widerwillig zu. “Dann sollte ich mich schleunigst auf meinen Auftritt vorbereiten.”
Wie abgesprochen, ergriff er eine Stunde später vor der Versammlung der Scheichs das Wort, um die entscheidende Wendung herbeizuführen. “Die Argumente, die
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