Ein Sommer mit Danica
»Ihr lehnt jede Uniform ab und merkt nicht, daß ihr euch selbst uniformiert, um anders als die anderen zu sein. Das ist doch schizophren. Bärte, lange Haare, enge Hosen, Fransenjacke, weite Pullover, ausgelatschte Boots, Mäntel bis auf die Erde, dieser ganze provokatorische Kram gegen die Gesellschaft … was ist das anders als eine Uniform? Und euch soll man ernstnehmen?«
Dorotheas Blick wurde wieder hart. Sie hängte den Pullover über ihre Schulter, beugte sich vor, ihre Brüste pendelten über Corells Knie, sie nahm die Zigarettenschachtel und ließ sich von Corell Feuer geben. »Unsere Bomben werden euch wachrütteln und zwingen, uns ernstzunehmen.«
»Eure Bombern explodieren euch selbst in die Isolation. Gegen Extremisten sind sich alle einig, ganz gleich, wo sie politisch stehen. Niemand will im Chaos leben … je mehr ihr knallt, um so weniger Freunde habt ihr … natürlich bis auf die wenigen, denen eure Dämlichkeit nützt.«
»Der Kommunistentick der Deutschen, was?« Sie rauchte hastig. Ihre Brüste hoben sich beim schnellen Atmen auf und ab. Die Lust, mit Corell zu schlafen, aber gleichzeitig diesen mächtigen, treibenden Drang zu unterdrücken, machte ihr zu schaffen. »Ist dieses ganze Leben nicht Mist?« fragte sie und blies den Rauch durch die Nase.
»Ich weiß es nicht. Vielleicht sollten wir uns darüber unterhalten, wenn Sie zehn Jahre älter sind? Wenn Sie Kinder haben, einen gut verdienenden Mann, eine nette Wohnung … wenn Sie – mit Ihren Worten – ganz ekelhaft frustriert sind. Dorothea, das kommt, schütteln Sie nicht den Kopf, das halten Sie nicht auf, davor können Sie nicht weglaufen oder sich auf Matratzen verkriechen … das Leben holt Sie ein, und Sie wären ein biologisches Wunder, wenn Sie sich nicht einholen ließen …«
»Mit Ihnen kann man nicht diskutieren!« Sie stand auf, ging zu ihrer Matratze neben dem leise röchelnden Harry, beugte sich kurz über ihn und warf sich dann auf ihre Decken. Sie lag auf dem Rücken, rauchte weiter und zog das linke Bein an.
»Jetzt wird man Sie suchen, was?«
»Bestimmt. Danica wird alles in Bewegung setzen, was möglich ist.«
»Ich gönne ihr diese Qual.«
Corell schwieg. Er rutschte von der Wand weg auf seine Matratze und zog die Decke über sich. Dorothea hob den Kopf.
»Was würden Sie tun, wenn ich einfach zu Ihnen komme? Mich nackt zu Ihnen lege? Sie sind kein Holzklotz. Oder würden Sie sich wehren? Schlagen Sie mir auf die Finger, wenn ich Sie anpacke …?«
»Ich würde dir den Puls fühlen, Dorothea. Und ich würde sagen: Bleib ganz ruhig liegen, es geht bald vorbei …«
»So ein Idiot sind Sie, tatsächlich? Man sollte es versuchen.«
»Tu's nicht. Warum diese Niederlage schlucken?«
»Verdammt, weil ich nach dir zittere, begreifst du das nicht? Ich darf mir nicht die Hände auf die Schenkel legen, da gehe ich hoch!« Ihre Stimme bekam eine zitternde Heiserkeit. »Ich will dich haben, Doktor! Vielleicht nur wegen deiner so schönen Danica, weiß ich's?«
Sie stand auf, kam zu ihm, und sie war völlig nackt und sah begehrenswert und gar nicht mehr revolutionär aus. »Rück zur Seite –«, sagte sie durch zusammengepreßte Lippen. »Ich kann mich auch auf dich legen –«
Corell rückte zur Wand. Sie glitt unter die Decke, schmiegte sich an ihn und küßte seine Halsbeuge. Dann tastete ihre kleine schnelle Hand seinen Körper entlang. »Du bist wirklich ein Klotz!« sagte sie dabei. »Ein widerlicher Klotz. Aber wir haben eine ganze Woche Zeit … da krieg ich dich schon 'rum!« Sie ergriff seine Hände und drückte sie auf ihre vollen Brüste. »Und das läßt dich kalt?«
»Herzschlag etwas beschleunigt –«, sagte Corell ruhig. »Außerdem hast du einen Pickel unter der linken Brust.«
Sie zögerte ganz kurz, dann warf sie sich herum und spuckte ihm ins Gesicht.
»Du mieser alter Hund!« sagte sie, stand auf und ging zu ihrer Matratze zurück.
Am Morgen bekam Harry hohes Fieber und verfiel in ein Delirium. Er halluzinierte und schrie mit brechender Stimme immer wieder: »Laßt mich nicht liegen! Laßt mich nicht liegen!«
Corell injizierte Depot-Penicillin und jagte Dorothea weg, kalte, nasse Handtücher aus der Küche zu holen und Wadenwickel zu machen.
»Opas Medizin, was?« sagte sie spöttisch.
»Du kannst es ja mal mit Beischlaf versuchen«, antwortete Corell. »Das zieht auch Hitze ab –«
Sie blitzte ihn mit ihren graublauen kalten Augen an, warf den kurzgeschnittenen Kopf in den Nacken
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