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Ein Sommer mit Danica

Ein Sommer mit Danica

Titel: Ein Sommer mit Danica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verkriechen sich, um zu sterben; Elefanten haben abgelegene, einsame geheimnisvolle Friedhöfe, auf die sie sich zurückziehen … ich war auf der Fahrt zu meinem einsamen Friedhof.«
    »Pula … Aber Pula ist nicht einsam, Sascha.«
    »Es gibt irgendwo an der Küste eine Stelle, wo ein Mensch so allein ist wie auf einem anderen Stern. Ich weiß nicht, ob sie noch da ist … vielleicht steht dort jetzt ein Hotelpalast, aber damals –« Er blickte wieder aus dem Fenster zu den dunklen, schlafenden Stallungen von Lipica. »Damals stand ich dort in einer fast schwarzen Nacht und stieß mit dem Fuß ein Boot ab, das schon nach drei Metern unsichtbar wurde. Es mußte unsichtbar werden, denn für die, die in dem Boot saßen, bedeutete das Licht den Tod. Aber das ist eine uninteressante Geschichte.« Er trank, blickte über den Glasrand Danica an und fragte sich, ob die Umkehr, die sich jetzt in ihm vollzog, wirklich richtig sei.
    »Aber jetzt ist Licht – überall Licht –« Danica machte eine allumfassende Handbewegung. Er griff nach ihrer Hand, zog sie an seine Lippen und war einen Augenblick wirklich glücklich. »Es soll immer Licht bleiben –« sagte sie leise. Ihre Finger strichen über seine Lippen, und er gab sich völlig dieser Zärtlichkeit hin.
    Und doch ist alles nur heller Wahnsinn, dachte er später, als sie zu dem goldenen Wein eine Platte Hajduskicevap aßen, verschiedene gegrillte Fleischstücke, viel, viel Salat und Zwiebeln. Was erwartet mich in Frankfurt? Eine verkommene, verdreckte Arztpraxis, Patienten, die in den Verbrecherkarteien aller Länder stehen, Zuhälter und Huren. Zweimal war er sogar zum Mittäter geworden. Da erschienen in der Nacht Männer mit Schußverletzungen, er hatte sie auf seinem längst nicht mehr sterilen alten OP-Tisch operiert, die Kugeln herausgenommen und sie dann ohne weitere Fragen wieder gehen lassen. Am nächsten Tag las er in der Zeitung von einem Bankeinbruch und einem Schußwechsel mit der Polizei. Was ging es ihn an? Er betrank sich wieder, vermied alle Spiegel in seiner Wohnung, weil er sich selbst nicht mehr sehen konnte und schleuste seine ›Kunden‹ – er nannte sie längst nicht mehr Patienten – durch. Brillen-Eugen, Zwinker-Willi, den ›Lord‹, Jenny mit dem Dauerschnupfen, Magda, die ihre Gonorrhöe nie ausheilen ließ … ein Aufmarsch aus den Kanälen der Großstadt. Eine Rattengesellschaft. War es zu verantworten, Danica in diesen Sumpf mitzunehmen? Natürlich, es gab so etwas wie einen neuen Anfang, aber kann man noch einmal von vorn beginnen, wenn man schon fünfzig ist?
    »Woran denkst du?« fragte Danica.
    Er schrak auf. Die feudale Umgebung irritierte ihn wieder. Ich bin wie dieser Bankpenner geworden, dachte er, den man badet und in ein Prunkbett legt, und der in dieser Pracht erstickt, aus dem Fenster springt, zurück zu seiner Parkbank rennt und glücklich sich mit der alten Zeitung wieder zudeckt.
    Er wurde einer Antwort, die doch eine Lüge gewesen wäre, enthoben. Um die Barrikade aus Oleander kam ein Herr herum und blieb an Corells Tisch stehen. »Ich kenne Sie –«, sagte der Herr im Maßanzug. »Vielleicht ist es unhöflich –«
    »Es ist unhöflich«, antwortete Corell grob. »Gehen Sie!«
    »Frankfurt? Stimmt das? Frankfurt?«
    »Ich war nie in Frankfurt. Ich bin Schweizer. Aus St. Gallen …«
    »Sie sind doch Arzt, nicht wahr?«
    »Nein. Ich stelle Schrauben her. Kleine und große Schrauben.« Corell musterte den Herrn mit einer Art Neugier und Abwehr. »Wollen Sie uns weiter belästigen?«
    »Ich bin ein Bekannter von Kletter-Egon –«
    Corell griff nach seinem Wein und trank das Glas leer. Die Vergangenheit lief ihm nach, überall … es gab kein Entkommen. Natürlich kannte er Kletter-Egon. Er wußte seine Krankengeschichte auswendig, wie man als Arzt seine Stammpatienten genau kennt. Kletter-Egon war eine Empfehlung, das stimmte … und dieser feine Herr gehörte also mit zur Zunft und war hier abgestiegen, um sich nach Schmuck umzusehen.
    »Ihre Hartnäckigkeit ist abscheulich«, sagte Corell eisern. »Ober, zahlen!« Er legte ein paar Geldscheine auf den Tisch, zog Danica vom Stuhl, faßte sie unter, als müsse er sie wegschleifen, und verließ das Restaurant, indem er schnell an der langen Büfetthecke entlangging und die breite Treppe zur Halle erreichte. Der vornehme Herr blickte ihnen nach, durchaus nicht beleidigt, und suchte in seiner Jacke nach einer Zigarettenschachtel. »Und er ist es doch«, sagte er.
    Dann

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