Ein Sommer mit Danica
telefonieren wollte und die Vermittlungsstelle ihm sagte, daß die Leitung mal wieder unterbrochen sei. Zerstört von Partisanen. Ein Störtrupp ist schon unterwegs.
Aber die Funkverbindung klappte, und wenn Corell auch nicht Dr. Webers Stimme hören konnte, so sah er doch aus den Worten, die der Funker ihm im Klartext hinschob, wie glücklich der Stabsarzt war. »Gratuliere –«, ließ Dr. Weber aus Labin funken. »Ihre Idee mit der Fahne war also doch Ihr Leben wert. Eine halbe Stunde, nachdem Sie die Kurven bei Barban hinter sich hatten, ist dort eine Patrouille von zehn Mann und einem Leutnant fast völlig aufgerieben worden. Ich habe die drei Überlebenden hier. Zwei Lungen-, ein Schulterschuß. Die Lungenschüsse hoffnungslos. Wann wollen Sie zurück?«
Corell las die Worte. Er sah die Kurven von Barban vor sich. Ein eiskaltes Gefühl kroch in ihm hoch und kribbelte unter der Kopfhaut. Sie haben mich leben lassen und weitergereicht von Posten zu Posten, dachte er. Sie hatten mich im Visier, und es brauchte nur einer den Finger zu krümmen … Er setzte sich neben den Funker auf einen Hocker und wischte sich über das Gesicht. Als er die Hand zurückzog, war sie naß von kaltem Schweiß.
»Funken Sie, Obergefreiter –«, sagte er zu dem Funker, der ihn wortlos aus den Augenwinkeln anstarrte. »Ich komme morgen im Laufe des Tages zurück. Wieder allein.« Er legte die Hand auf die Schulter des Funkers. »Und dann stellen Sie ab … ich will die Antwort aus Labin nicht mehr hören …«
Bis zum Mittag hatte er von der Heeresapotheke alles bekommen, was er auf der Liste stehen hatte, mit Ausnahme einiger Medikamente, die erst aus Triest geholt werden mußten. Es waren Herz- und Kreislaufmittel. »Wir kommen nicht mehr mit«, sagte der Oberapotheker, der die Heeresapotheke leitete. »Die Partisanen schießen zu gut. Und Ihre Kreislaufmittel streichen Sie mal. Hier gibt es keinen Kreislauf mehr, sondern nur eine Richtung: In die Heimat!«
Es sollte ein Witz sein, aber hinter ihm schwang die ganze Tragödie einer Armee, die in Jugoslawiens Schluchten langsam, aber stetig zerbröckelte.
Nach dem Mittagessen – »Leisten Sie sich noch einen Hammelbraten mit Bohnen«, sagte der Oberapotheker sarkastisch.
»Ich weiß, ein Schuß in den vollen Bauch ist so ziemlich das Säuischste, was es gibt, aber Sattsein ist wenigstens der einzige Luxus, den man sich hier noch leisten kann!« – setzte sich Dr. Corell wieder in seinen Kübelwagen, band die Rot-Kreuz-Fahne wieder über die Rücksitze und fuhr los – Richtung Labin. Stabsarzt Dr. Weber hatte er über Funk mitgeteilt: »Ich sause jetzt los!« Die Telefonleitung war noch immer zerstört; der Störtrupp dagegen war verschollen. Eine Suchpatrouille kam zurück mit einigen Kabelrollen, die man seitlich der Straße in den Felsen gefunden hatte. Es war schon zur Gewohnheit geworden, man konnte nur noch mit den Zähnen knirschen: Wie, wo und wann es den Partisanen gefiel, wurden die Felsen lebendig und spuckten den Tod über die deutschen Soldaten.
Auch jetzt verlief Dr. Corells Rückfahrt ruhig. Niemand störte ihn, es donnerten keine Steine die Hänge herab, es gab keine Freiheitskämpfer, die ein Sperrfeuer legten. Aber Corell wußte, daß unzählige Augen ihn verfolgten. Ein paarmal hielt er an, stieg aus und rauchte eine Zigarette. Er tat es bewußt, lehnte sich an den Kühler des Wagens mit dem aufgemalten Roten Kreuz und starrte zu den Felsen hinauf. Nur kahles Gestein, ein paar verkrüppelte Zedern und Kiefern, hartes Gras, das sich in den Felsboden klammerte, stille Einsamkeit. Dr. Corell trank aus der Feldflasche ein paar Schlucke roten Landwein, aß einen Kanten Brot und ein Stück Dauerwurst und fuhr dann weiter.
Kurz vor den Kurven von Barban erhöhte er die Geschwindigkeit, brauste über die Brücke, die über das Flüßchen Rasa gespannt war, und atmete auf, als er die gefährliche Stelle hinter sich hatte. Ein großer Lastwagen mit aufgesessener Infanterie begegnete ihm … die neue Patrouille, die die Straße kontrollierte. Der junge Leutnant, der vorne neben dem Fahrer saß, winkte Dr. Corell zu.
»Alles in Ordnung. Am Tage sieht die Welt auch in Jugoslawien friedlicher aus. Wir haben vier Maschienengewehre und zwei Granatwerfer bei uns. Von Pula ist eine Gegenkolonne unterwegs … heute können die Partisanen nur in den Verstecken hocken und auf die Nacht warten. Da aber werden deutsche Pioniere unterwegs sein, mit Flammenwerfern … der Spuk
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