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Ein Sommer mit Danica

Ein Sommer mit Danica

Titel: Ein Sommer mit Danica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auf dieser Straße wird bald beendet sein.«
    Die Begegnung mit dem Lastwagen war kaum vorüber, – Dr. Corell hörte noch das laute Brummen des schweren Motors, – als sein Kübelwagen hinten einknickte und die Felge über den steinigen Boden schepperte. »Scheiße!« knurrte Corell. »Einen Platten!« Er fuhr den Wagen langsam an die Seite, stieg aus und begann, den Reservereifen aus der Halterung zu lösen. Dabei zeigte es sich, daß der Reifen wertlos war. Es war keine Luft im Schlauch. Corell sah es sofort, als er ihn auf die Erde fallen ließ.
    Er gab dem Reifen einen Tritt, lehnte sich wieder an den Kühler und rauchte. Es war noch kälter geworden, wenn auch die Sonne schien. Es war eine kalte, blasse Sonne, die Steine und die Straße waren glitschig von Reif. Corell schlug die Arme gegen den Körper, nahm die Maschinenpistole vom Sitz und wartete. Die Straße von Rijeka nach Pula war am Tag viel befahren, sie war eine Hauptader des Nachschubs, nur nachts wurde sie zu einem Weg ohne Wiederkehr. Aber heute blieb Corell allein. Von Pula kam nichts herauf, von Rijeka nichts herunter … er stand über eine Stunde neben seinem schief liegenden Wagen, begann dann, auf der Stelle zu trampeln und hin und her zu hüpfen, um die Kälte aus seinen Füßen zu treiben und ahnte, daß die Straße an zwei Stellen blockiert worden war. Er saß mitten in der Falle, wie eine Maus, die man gleich herausholen oder einfach totschlagen würde.
    Corell blickte wieder die Felsen hinauf. Nichts regte sich. Es schien kein Krieg zu sein, sondern ein Tag auf einem anderen, von Eiskristallen überzogenen Planeten, der keinen Laut kannte, keine Bewegung, kein Leben.
    Corell riß die Lazarettfahne von den Rücksitzen, wickelte sie sich um den Leib, nahm die Maschinenpistole in die Hand und sah dann nachdenklich seinen Wagen an. Medikamente und Verbandszeug für einen Monat lagen da … und in Labin warteten die Verwundeten auf ihn, auf den Segen des Morphiums, auf Wundsalben, fiebersenkende Mittel, Jod, neue scharfe Skalpelle, Arterienklemmen, Scheren, blutstillende Watte, Brandbinden, Schienen, Catgut zum Nähen der Wunden, Mull zum Wegtupfen des Eiters, vor allem aber Tabletten und Ampullen gegen den Schmerz. Nach Rasa, dachte Corell. Rasa liegt am nächsten. Eine halbe Stunde zu Fuß, das ist kein Problem. Aber ich muß den Wagen verlassen, und es ist sicher, daß er leer sein wird, wenn ich mit einem neuen Reifen zurückkomme. Er stopfte sich alle Taschen voll mit den wichtigsten Medikamenten, die in Labin gebraucht wurden, selbst in die etwas zu weiten Stiefelschäfte drückte er Tablettenröhrchen, und unter die hohe Lammfellmütze packte er auf seinen Kopf einige Pakete mit blutstillender Watte und ein Kästchen mit den auswechselbaren Skalpellmessern.
    Dann sah er sich noch einmal in der Einsamkeit um und trat mitten auf die Straße. Die blasse kalte Sonne ließ die Fahne mit dem Roten Kreuz, in die er sich gehüllt hatte, aufleuchten.
    »Ich bin kein Feind –«, sagte er laut, und dann spreizte er die Beine, legte die Hände trichterförmig an den Mund und schrie in die Felsen hinein: »Ich bin kein Feind! Ich bin Arzt! Ich habe auch neun Mann von euch im Lazarett von Labin. Auch für sie bringe ich die Medikamente. Wenn ihr mich hören könnt, gebt es weiter: Ich bin Arzt! Auch für euch …«
    Seine Stimme verhallte in der Stille. Corell wartete, er spürte, wie ihm der Schweiß den Rücken herunterlief, aber nichts rührte sich. Da begann er, mit weiten Schritten die Straße hinunterzugehen, und mit jedem Meter, den er zurücklegte, merkte er, daß die Angst wuchs und daß es nicht mehr lange dauern würde, bis er rennen würde. Völlig sinnlos, sich auspumpend … aber wider alle Vernunft würde er rennen, weil er nicht anders konnte, weil die Angst in ihm größer wurde als jeder Verstand.
    Schon nach zehn Minuten wurde er beschossen. Er sah den Schützen nicht. Er hörte nur den Abschuß und das Pfeifen der Kugel an seiner Schulter vorbei. Mit einem großen Satz schnellte er sich von der Straße weg zu den Felsen, warf sich dort zu Boden und kroch hinter einem Stein in Deckung. Es war ein lächerlicher Schutz, aber irgendwie schien er aus dem Schußfeld des Schützen gesprungen zu sein, schon der zweite Schuß war bloß noch eine Warnung: Laß dich nicht mehr blicken! Wenn du dich rührst, bist du nichts als eine Schießscheibe für uns.
    Corell lag hinter seinem Stein, hatte die Maschinenpistole entsichert und wartete

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