Ein Sommer mit Danica
Vergangenheit. Er hatte Clara Soffkov versprechen müssen, Danica ein guter Mann zu sein; er hatte ihr die Hand darauf gegeben, und sie hatte die beiden in alttestamentarischer Art gesegnet. In der Ecke des Lokals legte sie ihre Hände auf die Häupter von Corell und Danica, und das war ein Augenblick gewesen wie damals vor 28 Jahren in der Nacht an der Küste von Koromacno, wo alles Beiwerk des Lebens abfiel und nur der kleine, nackte, in Gottes Hand liegende Mensch übrigblieb.
Aber noch während Clara Soffkov sie segnete, dachte Corell: Es ist gut, daß sie blind ist und ihre Fingerspitzen nur die Runzeln meines Gesichtes ertastet haben. Sie vermischt das Bild von damals mit einer Idealvorstellung von heute … der junge, musikliebende Arzt mit dem weichen Herzen, der nun ein erfahrener Arzt geworden ist, vom Leben gezeichnet. Könnte sie sehen, was aus diesem Dr. Corell geworden ist, sie hätte nicht zu Danica gesagt: »Er ist ein guter Mensch.« Sie wäre entsetzt gewesen über diesen Arzt der Huren und Diebe, über sein wildes, versoffenes Leben, über seine zertrümmerte Moral, und sie hätte zu Danica gesagt: »Mädchen, lauf von ihm weg, so schnell du kannst. Er ist wie ein Strudel, der alles mit sich hinabreißt.« So aber sagte sie:
»Sascha, versprich mir, sie immer zu lieben. Der Teufel hole dich, wenn du es jemals vergißt!«
Und er antwortete: »Clara, ich will versuchen, aus der Gosse herauszukriechen. Aber ob ich diesen Kloakengestank abwaschen kann? Er ist in die Poren gezogen.«
»Wozu gibt es Parfüm? Bade in ihm!« Sie war eine wundervolle Frau, und Corell kam sich so schäbig wie selten vor.
Im Hause der Robics brannte noch im Wohnzimmer die Lampe, als der kleine, alte, in allen Fugen klappernde und stöhnende Fiat vor dem Haus hielt. Petar machte die Haustür auf … das war das Gute an dem Wagen: Man hörte ihn auf hundert Meter. Seine Geräusche waren unverkennbar. Wenn Robic durch Piran fuhr, packten der Bäcker schon das Brot, der Metzger das Fleisch und die Wurst und der Milchhändler Käse und Joghurt in die Tüten, noch lange bevor Robic vor ihren Läden bremste. Klirrte oder klapperte es irgendwo in Piran nach gequältem Blech, blinzelte man sich zu und sagte: »Petar kommt.« Und wenn Duschan Dravic Straßendienst hatte und den Verkehr regelte, hielt er schon vorher die Kreuzung frei und winkte die Touristen mit ihren Luxuswagen aus dem Weg.
Dr. Vicivic und Serge Dobroz waren schon längst gegangen, sie hatten Dravic mitgenommen, denn der Milizionär war durch den Malvazija in genau der Stimmung, seiner Uniform Schande anzutun und auf dem Heimweg schöne Frauen zu belästigen. So nahmen Dobroz und Dr. Vicivic ihn in die Mitte, hakten ihn unter und brachten ihn zu seiner Ljubinka. »Schrei nicht!« sagte Vicivic schon an der Tür, als Ljubinka tief einatmete und ihre mächtigen Brüste durch das Kleid quollen. Sie stellten Duschan an die Wand, stützten ihn ab und wischten sich den Schweiß von der Stirn. Dravic war ein großer, starker Mann, wir wissen es, und ihn an schönen Frauen vorbeizuschleppen, war eine höllische Aufgabe. Jetzt aber war er winzig wie ein neugeborener Spatz, lächelte blöd sein hünenhaftes Weib an und versuchte, auf eigenen Beinen zu stehen.
»Er hat Kummer –«, sagte Vicivic. »Morgen früh kotzt er wieder das Bett voll.«
Ljubinka gab die Tür frei, Duschan taumelte ins Schlafzimmer, warf sich bäuchlings aufs Bett und schlief sofort ein. Das war immer so: sobald er lag, überfiel ihn unbändige Müdigkeit, allerdings nur im heimischen Ehebett.
»Schlag ihn nicht –«, sagte Dr. Vicivic noch, bevor Dobroz und er sich von dem Riesentäubchen Ljubinka verabschiedeten. »Wir haben ein großes Problem besprochen … er hat ein Recht, betrunken zu sein.«
Ljubinka antwortete nicht, schmiß hinter Dr. Vicivic die Tür zu und widmete sich dann ihrem Mann. Sie zog ihn aus, schleuderte den nackten Körper zurück auf die Matratze – was allein beweist, wie stark sie war – entkleidete sich selbst und tat dann etwas, was Duschan im Nebel seines Rausches nur fern und ohne späteres Erinnerungsvermögen miterlebte: Sie nahm ihre Rechte als Ehefrau wahr …
Das alles war schon drei Stunden her, als der alte Fiat knirschend bremste. Robic sah sein Töchterchen aus alkohol-wässrigen Augen an, und ihm war zumute, als müsse er losheulen, so schön sah sie aus. Im Zimmer saß Stana steif wie eine geschnitzte und bemalte Figur auf ihrem Stuhl, wachsam,
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