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Ein Sommer mit Danica

Ein Sommer mit Danica

Titel: Ein Sommer mit Danica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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innerlich sprungbereit, eine Löwin, die auf jedes Geräusch lauscht und jeden anfallen wird, der ihr Junges anfassen will.
    »Es war der schönste Tag in meinem Leben –«, sagte Danica. Die vollkommene Seligkeit der Jugend umfloß sie wie ein Schimmer. Sie umarmte ihren Vater, küßte seinen buschigen Schnauzbart und rannte ins Haus. Dr. Corell schloß die Autotüren und ließ den Zündschlüssel um den Zeigefinger kreisen.
    »Wohin soll ich ihn fahren?«
    »Laß ihn stehen, Sascha.« Der alte Robic winkte ab. »Wer in klaut, muß ein Idiot sein. Er käme nicht weit, weil alle schon von weitem ›Hallo Petar!‹ rufen würden. Das zermürbt den festesten Charakter.« Er schielte zu Corell hinüber und ging mit ihm in den Flur des Hauses. »Was war so schön?« fragte er. »Danica gackert wie ein Huhn, dem man Pfeffer ins Loch geblasen hat.«
    »Wir haben Clara Soffkov gehört.«
    »Die Blinde an ihrem Klavier? Ein Phänomen, was? Als sie mal in Köper war, bin ich mit Stana hingefahren. Ich verstehe nicht, was sie da spielt, aber ich merke, ob es falsch oder richtig ist. Jeder Ton war richtig. Wie die auf die Tasten drischt! Enorm!« Er blieb im Flur stehen, ein lebender Pfahl vor dem Wohnzimmer, streckte Corell dann die Hand hin und sagte endgültig: »Gute Nacht, Sascha. Schlaf gut …«
    Corell lächelte. Der Alkoholgeruch, der Robic umwehte, war ihm nur zu gut bekannt. Auch die geröteten, wässrigen Augen kannte er, die mühsam im Gleichgewicht gehaltene Stimme, den Willen, besonders nüchtern zu wirken … der ewige, immer verlorene Kampf der Besoffenen um ein Denkmal des eigenen Ichs.
    »Schlaf auch du gut –«, sagte Corell. »Was machen wir morgen?«
    »Morgen ist ein heißer Tag. Wochenende. Eine Lawine von Touristen, Sascha. Danica wird in den Laden müssen.«
    »Darf ich ihr helfen?«
    »Ein Doktor, der Holzlöffel und Opanken verkauft? Madame, ein Spitzendeckchen, handgearbeitet? Mein Herr, das ist eine kroatische Hirtenflöte. Blasen Sie mal. Die Frau Gemahlin wird begeistert sein und abendliche Blasstunden einrichten. Nur 50 Dinare pro Flöte! Hören Sie … trili trala … Oder diese Handtrommel, mit echtem Kalbfell überzogen? Darauf können Sie alles trommeln, mein Herr, von ›Hoch Kaiser Wilhelm‹ bis ›O Tannenbaum‹ – Nein, Sascha. Steig du morgen auf das alte Schloß und guck übers Meer. So ein Laden ist nichts für einen Doktor.«
    Robic schwankte bedenklich, und Corell lachte, stieg die Treppe hinauf in sein Zimmer und warf die Jacke über den Stuhl.
    Welch ein Tag!
    Clara Soffkov lebte … mit ihr war die Vergangenheit lebendig geworden und gleichzeitig gestorben. Es war unfaßbar, welche Kraft ihm diese alte blinde Frau gegeben hatte. Er nahm sich vor, gleich morgen das neue Leben des Dr. Corell in Angriff zu nehmen, mit Frankfurt zu telefonieren, seinem Anwalt den Auftrag zu geben, den Verkauf der Praxis und von allem, was er hinterlassen hätte im Falle seines Todes, abzustoppen, in den örtlichen Zeitungen zu veröffentlichen, daß Dr. A. Corell in Frankfurt in Kürze seine Praxis als Facharzt für Chirurgie wieder aufnehmen würde und eine gute Einrichtungsfirma zu beauftragen, die Wohnung und die Behandlungsräume neu auszustatten. Auch seine Bank wollte er anrufen und ihr mitteilen, daß er den Auftrag zurückziehen wollte, am Jahresende sein gesamtes Bargeld zu gleichen Teilen an die Personen zu verschenken, die auf einer beigefügten Liste aufgeführt waren. Es waren die Namen von alten, armen Huren, arthrotisch gewordenen Taschendieben, Bahnhofspennern, die zu ihm in die Praxis gekommen waren, wenn sie die Grippe hatten, und Stadtstreichern, denen er oft im Gefühl der Kumpanei Kasten voller Wermutwein spendiert hatte. Weg mit allem Dreck, dachte Corell. In den Gully spülen wie die städtischen Kehrmaschinen den Straßenschmutz. Das alte Schild wieder aufpolieren.
    Ob es etwas helfen würde? Mit neuen Möbeln war es nicht getan, auch der Wille genügte nicht, und Danicas Liebe war zwar ein Fundament … aber den Bau mußte er selbst mit den eigenen Händen errichten.
    Die Hände! Hände eines Chirurgen, an denen das Leben hing … Hände, die retten sollten … Hände, denen sich ein Mensch anvertraute, der nicht sterben wollte. Hatte er noch ruhige Hände?
    Dr. Corell knipste die Lampe mit dem Schirm aus Perlschnüren an, trat unter die Glühbirne wie unter die starken Scheinwerfer über dem OP-Tisch und hielt seine Hände waagerecht nebeneinander.
    Sie zitterten. Zwar

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