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Ein Sommer mit Danica

Ein Sommer mit Danica

Titel: Ein Sommer mit Danica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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in seinem Abteil in eine Ecke. Als der Zug abfuhr, schob er die ausgezogene Anzugjacke vor sein Gesicht und lehnte den Kopf gegen die holzvertäfelte Wand. Ein Kondukteur störte ihn … er schob die Jacke weg, und der Beamte wunderte sich, daß ein ausgewachsener Mann in einem Zug sitzt und lautlos weint.
    »Nach Frankfurt?« fragte er in hartem Deutsch.
    »Ja, Frankfurt …«
    »Haben Sie Schmerzen?«
    »Nein.«
    »Soll ich einen Arzt im Zug ausrufen lassen?«
    »Nein, danke …«
    »In Villach können Sie die Reise unterbrechen und einen Arzt aufsuchen.«
    »Ich will nicht nach Villach, ich will nach Frankfurt …«
    »Warum weinen Sie denn?«
    »Ich habe Zwiebeln gegessen. Außerdem macht mir das Weinen Spaß.«
    Der Kondukteur zögerte, knipste dann die Fahrkarte und verließ das Abteil. Es gibt komische Menschen, dachte er. Weint, weil es ihm Spaß macht! Das muß ich Jossip erzählen; der sammelt Geschichten von verrückten Ausländern und will mal daraus ein Buch machen …
    Dr. Corell sah aus dem Fenster. Der Zug ratterte den Karawanken entgegen, den Flußlauf der Save immer neben sich. Die Morgensonne blendete durch die Scheiben, und er kniff die Augen zusammen. Nicht einmal eine Sonnenbrille hatte er … sie lag in Robics Haus auf dem Waschtisch. Er kam ärmer nach Frankfurt zurück, als er gegangen war. Und trotzdem fange ich wieder von vorne an, dachte er. Trotzdem! Was die blinde Clara Soffkov konnte, kann ich auch! Soll ich mich von einer alten, blinden Frau beschämen lassen? Der Teufel hole dich, wenn du Danica nicht immer liebst, hatte sie gesagt.
    Laß den Teufel aus dem Spiel, Clara Soffkov … die Menschen sind viel schlimmer. Ich werde Danica immer lieben – aber sie wird ein Engel sein, der kurz bei einem Menschen war, der sich auf den langen Weg gemacht hat. Eine Unwirklichkeit, von der man träumt. Nur so ist es zu ertragen … Lebe wohl, Danica. Es war ein schöner Sommer mit dir …
    Nachts gegen 23 Uhr fuhr der Zug in die Bahnhofshalle von Frankfurt ein. Schon beim Ausrollen erkannte Corell auf dem Bahnsteig die dürre Gestalt von ›Feder-Heini‹. Er mischte sich unter die Wartenden und griff ihnen unbemerkt in die Taschen. Als der Zug hielt und Corell ausstieg, war ›Feder-Heini‹ gerade dabei, einer vornehmen älteren Dame eine Krokohandtasche geschickt vom Arm zu schneiden. Es geht wieder los, dachte Corell verbittert. Die Gespenster sind noch da. Und morgen klingeln sie an meiner Praxistür. Mein Gott, ich schwöre dir … ich schmeiß sie alle die Treppe hinunter! Ich bin zurückgekommen zum großen Reinemachen …

21
    Während Corell in Ljubljana seine Fahrkarte dem Kondukteur zeigte und dabei weinte, rannte in Piran Danica durch das Haus und suchte ihn.
    »Wo ist Sascha?« schrie sie, zerrte ihren Vater aus dem Bett, riß ihm die Decke fort, und es war ihr gleichgültig, daß Petar Robic nur ein Nachthemd trug, das normalerweise bis zum Knie reichte, jetzt aber bis zum Nabel hochgerutscht war. »Wo ist er?« schrie sie. »Hast du ihn schon abholen lassen? Liegst im Bett, und die Miliz bringt ihn über die Grenze? Du Teufel du! Du Teufel von einem Vater!« Sie rannte wieder die Treppe hinauf, riß in Corells Zimmer die Schranktüren auf, fand alles geräumt und flog fast wieder die Treppe hinunter in das Zimmer. Dort saß Robic am Tisch, versuchte seine Unwissenheit zu beteuern, was ja wahr war, und wehrte seine zum erstenmal in ihrem Leben gewalttätige Stana ab, die mit einem Reisigbesen nach ihm schlug.
    »Leer!« schrie Danica an der Tür. »Alles leer. Der Schrank, die Kommode. Leer! Wo ist Sascha hin! Wo hast du ihn hingebracht? Sag es, Vater, sag es … oder – bei der Madonna und ihren Tränen – ich bringe dich um!«
    Es ist schon schlimm, eine Frau zu haben, die ständig anderer Meinung ist, aber eine Tochter zu besitzen, die einem an den Kragen will, ist wahrhaft ein Tritt des Teufels. Petar Robic seufzte tief auf, starrte seine beiden Frauen entsetzt an und wehrte sich nicht, als Danica mit beiden Händen in seine Haare griff und in verzweifelter Wildheit an ihnen riß.
    »Wo ist er?« schrie sie dabei erneut. »Wo ist Sascha?«
    Und Stana hieb mit dem Reisigbesen nach ihm und schrie: »Er vernichtet unsere Familie! Er zerreißt Danica das Herz! Du Satan von einem Mann!«
    »Ich weiß es wirklich nicht«, stöhnte Robic und sank in sich zusammen. »Und wenn ihr mich in Stücke schneidet … er ist weg, ich erfahre es gerade von euch, ich habe friedlich in meinem

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