Ein Sommer mit Danica
Bett gelegen und geschlafen. Was weiß ich, was in der Nacht geschehen ist? Schlagt nur euren Vater und Ehemann, nur zu, schlagt ihn blau und gelb, damit alle in Piran sehen, welche Kultur die Robics besitzen. Bei meiner Seele … ich habe Sascha seit seinem Gute-Nacht-Gruß gestern abend nicht mehr gesehen. Vielleicht weiß Duschan etwas von ihm …«
Überrascht ließen die Weiber von ihm ab, sahen sich an, verstanden sich sofort mit ihrem Blick und stürmten aus dem Haus. Sie trugen nur ihre Nachthemden und darüber ihre alten Bademäntel. In dieser Aufmachung rannten sie die Gasse entlang über den noch stillen, im Morgenlicht wie blank geputzten Tartiniplatz und hämmerten mit den Fäusten an die Tür von Dravics Wohnung.
Der alte Robic war unterdessen aufgestanden, ging in seinem Haus herum, und schlug die Fäuste gegeneinander, begann dann zu brüllen und schrie seinen Kummer in die Einsamkeit hinaus.
»Sie schlagen mich!« brüllte er. »Mein Gott, sie schlagen mich wegen eines Mannes. Mein Weib und mein Töchterchen. Erheben die Hände gegen mich wie gegen einen störrischen Ochsen! So weit ist es mit uns gekommen! Gott im Himmel, laß diesen Deutschen weg sein, ganz weit weg, laß ihn nie wiederkommen! Seit dreißig Jahren bin ich nicht mehr in deiner Kirche gewesen … aber wenn du verhindern kannst, daß Sascha wiederkommt, stifte ich dir die größte Kerze, die man je in Piran angezündet hat.«
Er brüllte noch mehr an diesem frühen Morgen, Flüche und allerlei dummes Zeug, stand dann am Fenster, stierte in die blanke, weißliche Sonne, die noch mit den Schleiern der Nacht kämpfte, und kam sich so elend vor als beschimpfter und bedrohter Vater, daß er zurück ins Bett schwankte, sich auf die Matratze fallen ließ und glaubte, jetzt müsse er gleich sterben an gebrochenem Herzen. Nur ein winziger Triumph – so glaubte er – hielt ihn noch am Leben: Er hatte seine wilden Weiber Duschan Dravic auf den Hals gehetzt, und ihm, gerade ihm, der auf das amtliche Ausweisungsschreiben aus Ljubljana wartete, um seinen großen Auftritt zu haben, würde es schwerfallen, Stana und vor allem Danica seine Unwissenheit zu erklären.
Aber Duschan Dravic geschah nichts Übles. Der Zweizentnerturm Ljubinka öffnete die Tür, breitete die Arme aus, und es gab niemanden in Piran und Umgebung, der dieses Hindernis ohne Hilfsmittel wie Wagenheber oder dergleichen aus dem Weg geräumt hätte.
»Gib uns Duschan heraus!« schrie Danica. Sie sah wie ein schwarzer Panther aus, das lange Haar hing ihr über das Gesicht, aber zwischen den Strähnen blitzten die graugrünen Augen hervor, und es waren Augen, die selbst Ljubinka entsetzten.
»Das ist unmöglich!« sagte sie. Sie hatte eine Stimme, die zu ihrem Körper paßte, dröhnend, tief aus der mächtigen Resonanz ihres Brustkastens schwingend. Als Dravic damals die nur etwas zierlichere Ljubinka heiratete, drückten ihm seine Freunde die Hand und nannten ihn einen Helden oder rettungslos pervers. Duschan war keins von beiden … er liebte Ljubinka, woran man sieht, daß die Gefühle eines Menschen wirklich ein Geschenk Gottes sind.
»Warum ist es unmöglich?« schrie Stana. Sie hatte noch immer den Reisigbesen in der Hand, als sei sie eine Hexe und sei auf ihm vor Dravics Haus geritten.
»Er ist besoffen, Schwestern …«
»Er war heute nacht nicht aus dem Bett?« fragte Stana.
»Nicht eine Minute. Liegt da wie ein Klotz, den man mit Schnaps konserviert hat. Nicht einmal pinkeln war er.« Ljubinka zeigte auf den Besen in Stanas Hand und hielt mit der anderen Hand Danica zurück, die unter ihren Armen hindurchtauchen und ins Haus laufen wollte. »Ich brauche auch keine Hilfe, um meinen Mann zu verprügeln! Worum geht es?«
»Hat er Sascha über die Grenze bringen lassen?« schrie Danica. Sie hing in Ljubinkas starker Hand wie ein flatterndes Vögelchen.
»Deinen deutschen Arzt? Wieso über die Grenze? Was soll das? Ich weiß nichts von einer Grenze.«
»Dann frag ihn.«
Ljubinka stieß Danica heftig zurück. Sie fiel gegen ihre Mutter und lehnte sich dann an die Hauswand. »Frag ihn, ob der Befehl aus Ljubljana schon eingetroffen ist.«
Ljubinka sah Stana und Danica aus ihren großen schwarzen Augen ratlos an. Es war offensichtlich, daß sie nicht verstand, was das alles sollte.
»Fabriziert er wieder Dummheiten?« sagte sie grollend. »Kommt herein, aber bleibt im Flur stehen, sonst klebe ich euch an die Wand!«
Duschan Dravic erwachte mit einem dumpfen
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