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Ein Sommer mit Danica

Ein Sommer mit Danica

Titel: Ein Sommer mit Danica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schrei und schüttelte sich. Ljubinka, sein Riesenschmetterling, hatte ihm einen Topf mit kaltem Wasser über den Kopf geschüttet und rüttelte ihn jetzt vollends wach. In ihren mächtigen Händen hüpfte er auf und ab, bis er um sich schlug und brüllte: »Aufhören! Soll mir der Darm aus dem Mund kommen? Wie kann man einen Mann so behandeln, dessen Schädel gespalten ist?!«
    Er setzte sich im Bett auf, starrte mit geröteten Augen um sich, fuhr sich über das nasse Gesicht und schnaufte laut.
    »Was weißt du von diesem deutschen Arzt, he?« fragte Ljubinka.
    Duschan starrte seine Frau an, und jetzt zeigte es sich, warum er Milizkommandant von Piran war. In ihm blühte ein zarter Zweig von Diplomatie.
    »Er ist ein guter Mensch –«, sagte er vorsichtig. »Warum?«
    »Soll er ausgewiesen werden?«
    »Wer sagt das?«
    »Du!«
    »Bin ich ein Funktionär, der so etwas entscheiden kann? Gebe ich die Befehle? Ich erhalte sie nur und führe sie als treuer Bürger aus.« Er schob die Beine aus dem Bett und hatte eine unbändige Sehnsucht nach einem riesigen Glas kalten Wassers. »Er ist ein lieber Mensch, dieser Sascha –«, sagte er dabei, um von der Behörde in Ljubljana abzulenken.
    »Im Flur warten Stana Robic und Danica …«
    »Grüß sie von mir.« Duschan ließ sich ins Bett zurückfallen. Der beste Schutz vor allem Unbill ist, auf dem Rücken zu liegen und krank zu sein, dachte er. Ein kranker Mensch kann sich leisten, manches nicht mehr zu verstehen. »Sieh mich an«, sagte er mit brechender Stimme. »Habe ich einen zerbrochenen Kopf?«
    »Stana hat einen Besen bei sich.« Ljubinka stützte sich auf das Fußteil des alten, hochgebauten Bettes. Es war ein handgearbeitetes, massives Gestell, wie man es heute gar nicht mehr herstellt, – heute fallen die Betten zusammen, wenn man einen kühnen Sprung auf die Matratze wagt, – aber dieses Bett der Draviecs war für Jahrhunderte gebaut und ächzte nicht einmal, wenn Ljubinka zu Duschan zärtlich wurde. »Sie schreien herum und benehmen sich wie Hündinnen, denen man die Welpen weggenommen hat.«
    »Ha!« Duschan zuckte hoch. Er sprang aus dem Bett und griff nach der Uniformjacke, die über einer Stuhllehne hing. »Man hat den Doktor also schon abgeholt, ohne mich zu benachrichtigen? Bin ich ein Bettnässer? Man übergeht mich. Man greift in meinen Amtsbereich ein, ohne sich bei mir zu melden? Wo ist meine Hose, Ljubinkascha? Meine Mütze! Man übergeht mich! Das wird eine Beschwerde geben! Der Doktor ist weg?«
    »Also weißt du es doch, du heimlicher Schleicher?« Ljubinka preßte die Lippen zusammen, rannte zur Tür, riß sie auf und schrie in den Flur hinaus. »Kommt herein! Er weiß etwas! Aber er war nicht daran beteiligt, das kann ich beschwören. Seht euch an, wie besoffen er jetzt noch ist!«
    Stana und Danica erschienen in der Tür. Sie betrachteten den nassen Dravic in seinem Nachthemd … er stand neben dem Bett, hatte die Milizmütze auf dem Schädel und knirschte mit den Zähnen.
    »Ich bin bis ins Herz enttäuscht wie ihr –«, sagte er. »Man hat mich hintergangen. Wartet noch ein paar Minuten. Auskunft kann nur der Kommandant in Köper oder das Kommissariat in Ljubljana geben. Wir rufen gleich an! Amtlich! Man hat mich zutiefst beleidigt –«
    Es zeigte sich, daß weder Köper noch Ljubljana etwas von einem Transport Dr. Corells zur Grenze wußten. Duschan Dravic telefonierte von seiner Amtsstube aus herum, rief alle zuständigen und noch mehr nicht zuständigen Beamten an, beschimpfte sie alle je nach ihrer Stellung mit unterschiedlich vorsichtigen Worten und stellte dann die Ergebnisse seiner Rundgespräche zusammen.
    »Keiner hat ihn weggebracht«, sagte er zu Stana, Ljubinka und Danica. »Ihr habt es miterlebt. Das amtliche Schreiben ist noch gar nicht geschrieben. Ohne Erlaß keine Amtshandlung, das ist doch klar. Wenn Sascha weg ist, dann hat er sich von selbst aus dem Staub gemacht.«
    »Das ist eine Lüge«, sagte Danica. Sie saß zusammengesunken auf dem harten Stuhl vor Dravics Schreibtisch. Hier hockten immer die Verhafteten und ließen sich von Duschan anbrüllen, meist kleine, arme Burschen, die nichts getan hatten, als höchstens durch Trunkenheit aufzufallen. Piran war eine Stadt des Friedens und der Ehrlichkeit. In der Kriminalstatistik war es überhaupt nicht erwähnt. Ab und zu einmal ein Autounfall, aber dann waren meist auch Touristen beteiligt. Solche Fälle, die Duschan ›politisch orientiert‹ nannte, schob er alle

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