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Ein Sommer und ein Tag

Ein Sommer und ein Tag

Titel: Ein Sommer und ein Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Winn Scotch
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bis Thanksgiving verreist. Bitte sei weg, wenn ich wiederkomme. Damit ich wenigstens für etwas dankbar sein kann.
Nell
    Wieder klingelt mein Telefon mit diesem schrillen Country-Western-Ton, und ich nehme mir vor, ihn sofort zu ändern. Meine Mutter. Rory hat ihr inzwischen bestimmt von unserem Gefecht erzählt.
    Ich nehme das Telefon ans Ohr und bereue es augenblicklich.
    «Seit gestern versuche ich, dich zu erreichen!», empört sie sich ein bisschen zu hysterisch. «Rory hat mir erzählt, was passiert ist. Ich werde in die Stadt kommen, um mit dir darüber zu reden.»
    «Es gibt nichts zu reden, Mutter», wehre ich ab. Anderson dreht das Radio leiser, aber ich bedeute ihm mit hektischer Handbewegung, es wieder laut zu stellen. Das hier ist gleich erledigt. «Außerdem bin ich nicht in der Stadt.»
    «Warum? Wo bist du? Ich komme zu dir, ganz egal, wohin.»
    «Ich bin auf dem Weg Richtung Süden.» Das genügt, denke ich, damit sie es ahnt, es vermutet.
    Am anderen Ende herrscht Schweigen, eine lange Pause. Ich stelle mir vor, wie sie in Gedanken schreit, und ich muss lächeln, weil ich es ihr jetzt heimzahle. Auch wenn ich weiß, dass dies keine Generalabrechnung werden darf. Aber wie auch bei Rory gibt es eben ein paar Punkte, die klargestellt werden müssen.
    «Hältst du das wirklich für eine gute Idee?», will sie wissen, als sie ihre Stimme wiedergefunden hat. «Das kann nicht gut enden. Du musst endlich damit aufhören, Gespenstern nachzujagen, die nicht von dir gejagt werden wollen.»
    «Hier geht es aber nicht um die Gespenster», erläutere ich. «Es geht um mich. Es geht darum, die Antworten zu bekommen, die ich schon längst hätte verlangen sollen.»
    «Hör mal, Eleanor Margaret. Du bist im Moment labil und völlig aus dem Gleichgewicht wegen Peter. Aber ich bin absolut der Meinung, dass das, was du vorhast, nicht ratsam ist! Hast du es wenigstens mit deiner Therapeutin besprochen? Bist du dir über die Konsequenzen im Klaren?» Sie ist jetzt völlig außer sich. «So was lässt sich nie mehr ungeschehen machen. Ich weiß, wovon ich spreche. Wieso willst du nicht auf mich hören? Das, was du da tust, wird alles ändern! Du hast überhaupt keine Ahnung, was das bedeutet, was du damit anrichten kannst!»
    «Mutter! Kapierst du es nicht?», fahre ich sie ungehalten an, als sie endlich fertig ist, und mir ist völlig klar, dass sie es gleichzeitig kapiert – was sie verfolgt und nicht zur Ruhe kommen lässt – und überhaupt nicht kapiert. «Die Veränderung, der Sturm, der alles wegbläst und bloßlegt: Nur darum geht es.»

    Auch wenn ich eigentlich wieder völlig genesen bin, halte ich es nicht allzu lange in einer Position aus, weshalb wir am Nachmittag in der Nähe von Washington in einem Autobahn-Diner, das Anderson an seine frühere Reise erinnert, eine ausgiebige Pause einlegen.
    «Nur, dass wir damals sechs Bier, den billigsten Toast, der auf der Karte stand, und Eier bestellt haben. Mehr gab es an dem Tag nicht zu essen.»
    «Und was ist heute anders, bis auf den Toast?», frage ich und studiere die Karte.
    Er runzelt die Stirn.
    «Ich versuche» – er lässt die Speisekarte sinken –, «ich versuche, erwachsen zu werden. Ich glaube, es wird Zeit.»
    «Mach dich nicht lächerlich. Mit achtundzwanzig ist man zu jung, um erwachsen zu werden.» Ich grinse ihn an.
    «Der geht schon wieder an dich. Wenn du so weitermachst, gehe ich für den Rest meines Lebens ins Kloster.»
    Eine Kellnerin mit struppigen Haaren, Hängebrüsten und einem traurigen Hundegesicht kommt an unseren Tisch, um die Bestellung aufzunehmen. Sie sieht Anderson irritiert an. Der typische Blick von Menschen, die einen erkennen und nicht wissen, ob sie es zugeben sollen, und sie wird sogar unter ihrem viel zu dick aufgetragenen Rouge noch rot.
    Wir bestellen, ich French Toast, Anderson Waffeln mit Obstsalat, dann hole ich das Skizzenbuch meines Vaters aus der Tasche. Seit meiner zerstörerischen Wutattacke habe ich kaum wieder einen Blick darauf geworfen. Ich habe es beiseitegelegt und abgewartet, gehofft, dass andere Menschen mir Antworten geben würden, gehofft, dass eine Art Erlösung kommen würde. Beides wird nicht passieren. Es ist Zeit, selbst tiefer zu graben, den Kern freizulegen, auch wenn das bedeutet, mir ein paar Narben einzufangen.
    Narben verleihen uns Charakter , hat Samantha gesagt. Nein, habe ich zu ihr gesagt und dann sie zu mir, als ich es am dringendsten brauchte. Ich drehe die Hand und streichle mit dem

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