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Ein Sommer und ein Tag

Ein Sommer und ein Tag

Titel: Ein Sommer und ein Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Winn Scotch
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nicht. Vielleicht ist das meine Chance. Egal in welche Richtung, habe ich jetzt die Chance, alles anders zu machen.
    «Ich will dieser Mensch nicht sein», gestehe ich. «Der, der hätte großartig werden können, es aber nie geworden ist.»
    «Okay», sagt Rory. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich sie im Hintergrund pinkeln höre. «Aber das bist nun mal du.»
    «Ich will mein eigenes Gelächter vom Band.»
    «Wie bitte?», fragt sie irritiert.
    «Ich will Aufregung, ich will Spaß», antworte ich. «Ich will, na ja, außergewöhnlich sein.»
    «Ich glaube, du hast uns für den Augenblick genug Aufregung beschert», entgegnet sie mir. Die Klospülung rauscht.
    Ich blicke zum Fernseher, und da sehe ich ihn.
    «Du musst mir einen Gefallen tun.»
    «Schieß los.»
    «Wenn du morgen kommst, dann geh bitte zu Jamie Reardon und richte ihm aus, dass ich mit ihm sprechen werde. Geh zu ihm hin und sag, dass ich ihm meine Geschichte erzählen werde.»
    «Du spinnst!», antwortet sie. «Du bist viel zu zerbrechlich. Du bist noch nicht bereit für so was!»
    «Tja, Rory, die Sache ist nur die: Ich bin für gar nichts bereit.»

[zur Inhaltsübersicht]
    4
    J amie Reardon sieht genauso aus wie im Fernsehen: perfekte blonde Gelfrisur, perfekte himmelblaue Augen. Die Zähne sind strahlend weiß, sein Lächeln spitzbübischer, als man es von einem Nachrichtenreporter erwarten würde. Auf seiner Nase tummeln sich Sommersprossen, die für die Kamera wohl weggeschminkt werden, und er ist schlaksiger, als ich gedacht hätte: Die Sakkos, die er in der Sendung trägt, lassen ihn männlich wirken, aber als er in meinem Krankenzimmer auftaucht, sieht er eher wie ein hochgeschossener Junge aus. Ein Bauernbursche, wie sie nur in Iowa geboren und großgezogen werden.
    Zwei Tage nach meinem Schwur, meine zweite Chance bei den Hörnern zu packen und mein neues Ich in eine bessere Zukunft zu führen, nach meinem Auftrag für Rory – zu Jamie hinzugehen und ihm auszurichten, dass ich mit ihm sprechen werde –, ist er hier. Dr. Stark führt ihn ins Zimmer und bedeutet mir, er hätte schon von besseren Ideen gehört. Er ist der Meinung, ich solle meine Kraft nicht daran verschwenden, mich ins Rampenlicht zu stellen, aber ich winke ab. Er kapiert es leider nicht. Er weiß nicht, dass dies meine Chance ist, endlich fabelhaft zu sein, mein erster Schritt in Richtung Erfüllung. Schließlich ist das hier meine zweite Chance. Wer würde denn nicht versuchen, endlich etwas in Bewegung zu bringen, wenn er weiß, dass er abgestürzt ist, und erkennt, dass sein Leben bis jetzt gar kein richtiges Leben war, und auf einmal ein neues, unbeschriebenes Blatt vor sich hat? Jemand anders vielleicht, aber ich nicht. Mein neues Ich jedenfalls nicht.
    Rory hat heute Vormittag eine halbherzige Intervention gewagt – sie tauchte mit meiner Mutter im Schlepptau auf, die was von Privatsphäre und Ausnutzung murmelte und dass ich nicht wüsste, worauf ich mich einließe. Doch mein Entschluss stand fest. Wen schert es schon, was Jamie Reardon herausfindet, sagte ich zu ihnen. Was spielt das für eine Rolle? Vor was sollte ich mich verstecken oder davonlaufen? Es wird Zeit, endlich das Gegenteil von dem zu tun, was ich bis jetzt getan habe. Genau das sollte ich doch tun, oder? Ich deutete auf den People -Titel. Sollte ich diese Person etwa nicht so weit wie möglich hinter mir lassen? Sie fingen an zu stammeln, und meine Mutter sagte, ich wäre verrückt geworden, ich sei vorher nahezu perfekt gewesen, obwohl wir beide wissen, dass das nun wirklich nicht stimmt. Dann kam Alicia ins Zimmer, um den Blutdruck zu messen, und damit war die Sache erledigt.
    Erst als wir allein sind, als Jamie sein Aufnahmegerät aufstellt, sich wie ein alter Bekannter auf meine Bettkante plumpsen und die Knöchel knacken lässt, bereit für alles, was gleich kommt, wird mir klar, dass ich eigentlich nichts zu erzählen habe. Ich spüre, wie ich vor Peinlichkeit ganz bleich werde, weil ich so unvorbereitet bin. Mein altes Ich hätte das mit Sicherheit nicht gutgeheißen.
    «Ich habe das eigentlich nicht richtig durchdacht», beginne ich. «Also, Sie wissen wahrscheinlich, dass ich mein Gedächtnis verloren habe. Ich weiß also nicht, inwiefern ich Ihnen helfen kann.»
    «Keine Sorge», antwortet er. «Wir reden einfach. Ich werde es nicht mal aufzeichnen.»
    «Okay.» Ich zwinge mich, ein wenig zu entspannen. «Ich kenne mich sehr gut mit der ersten Staffel Friends aus, bin bestens vertraut

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