Ein Sommer und ein Tag
fragt sie und justiert die Preisschildchen an den Exponaten. «Publicity ist Publicity – das hast du noch nie verstanden. Und im Augenblick ist die Galerie gefragt wie nie, wir sind in aller Munde …» Sie sieht mich irritiert an. «Was hast du da auf dem Kopf?»
«Ein Baskenmützchen.»
«Also für mich sieht es eher aus wie ein labberiger Pfannkuchen. Das muss weg.» Sie wedelt mit der Hand. «Und dieser lila Pulli! Du hast hinten im Büro noch ein paar Sachen.»
«Was ist denn falsch an Lila?»
«Bei Weintrauben? Nichts. Bei einer Vernissage von uns?» Sie seufzt. «Unseren strikt neutralen Dresscode hast schließlich du hier eingeführt.»
Ach. Das erklärt meine Garderobe.
«Tja, dann schaffe ich ihn hiermit wieder ab», bestimme ich. «Der lila Pulli bleibt.»
«Na schön.» Sie stöhnt. «Aber die Mütze nicht. Die ist auch ohne Dresscode lächerlich.» Es klopft an der Eingangstür, und Rory ruft: «Es ist offen!»
Jamie betritt mit zwei Kameramännern die Galerie.
«Ich bin hinten an der Bar», sagt Rory. «Versuch bitte, dich nützlich zu machen.» Sie nimmt mir im Vorbeigehen die Mütze vom Kopf.
«Hallo», begrüßt Jamie mich und gibt mir einen Kuss auf die Wange. «Wollen wir kurz den Drehplan durchgehen?»
Ich sehe mich um. Entgegen Rorys Aufforderung habe ich nichts zu tun. «Schieß los.»
«Also, es ist eigentlich ganz einfach. Wir wollen vor allem Totalen von den Gästen drehen sowie kurze Statements von Freunden und Familie einholen. Wir wollen zeigen, dass du endlich wieder in deinem Element bist.»
«Ach so. Das ist mein Element?» Draußen sehe ich Peter die Straße überqueren. Er ist früh dran.
«Für unsere Zwecke ja», antwortet Jamie knapp, unpersönlich, und einen kurzen Augenblick lang fällt mir wieder auf, dass er im Grunde nur ein Reporter ist, ein Journalist, der an der Story seines Lebens dran ist.
Das Windspiel verkündet klimpernd Peters Ankunft.
«Hey, Babe!» Peter gibt mir einen Kuss direkt auf den Mund.
«Du bist früh dran.» Ich erwidere den Kuss, und er überrascht mich mit einer Umarmung. Eine Sekunde lang baumeln meine Arme untätig herunter, bis mein Verstand die Situation erfasst. Ich lasse mich an seine breite Brust sinken und atme die frische Herbstluft ein, die er mit hereingebracht hat. «Wofür war das denn?», frage ich, als er sich wieder von mir löst.
«Ich bin einfach so froh, dich endlich wieder in deinem Element zu sehen.» Er bekommt prompt feuchte Augen. Mein neues, mitfühlenderes Ich ist berührt davon, dass er so um mein Wohlergehen besorgt ist. Gleichzeitig ist mein altes, weniger weiches Ich genervt davon, dass er sich nach Monaten immer noch nicht wieder im Griff hat.
«Lustig. Dasselbe hat Jamie auch gerade gesagt.»
«Das hier bist du. Alles hier.» Seine Stimme bricht.
Ehe ich das Gewicht seiner Bemerkung richtig einschätzen kann, kommt Rory auf uns zu und drückt mir ein Klemmbrett in die Hand.
«Du stehst an der Tür und begrüßt die Gäste», befiehlt sie.
«Ich dachte, das wäre dein Job», sagt Peter.
«Jetzt nicht mehr. Nicht, wenn ich mich um alles andere hier auch noch kümmern muss.» Ihre Stimme ist spitz.
«Tja, jetzt ist auf einmal alles genau andersherum», bemerkt er, und ich bin mir nicht sicher, ob es witzig oder stichelig gemeint ist. Rory bedenkt Peter mit einem bösen Blick und wendet sich wieder dem Personal zu.
«Was war das denn?», frage ich, während ich die Liste durchblättere. Die meisten Namen sagen mir nichts.
«Vor dem Unfall warst du diejenige, die sich hier um alles gekümmert hat. Die Galerie hat dich fast aufgefressen – du hast praktisch hier gewohnt. Du hast die Wandfarbe ausgesucht, die Rechnungen bezahlt, dir bei jedem einzelnen Exponat den Kopf darüber zerbrochen, wo genau es hängen oder stehen soll. Wie ich eben gesagt habe, du warst hier in deinem Element.»
«Nell!», brüllt Rory quer durch den Raum zu uns rüber. «Komm bitte her und sag ihnen, wie sie die Bar aufbauen sollen!»
«Wie sie die Bar aufbauen sollen? Wen interessiert denn bitte, wie die Bar aufgebaut ist?», frage ich, als ich zu ihr trete. «Und überhaupt. Was ist denn bitte dein Problem?»
«Ich bin im Stress, falls du das noch nicht gemerkt haben solltest. Wir sind in aller Munde – du bist ja nicht hier, um die Touristen zu sehen, die vor dem Laden Schlange stehen, oder die Anrufe von den Reportern abzuwimmeln, die sich immer noch ständig hier melden. Du magst deinem Ruhm gegenüber vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher