Ein Sommer und ein Tag
unempfindlich sein, aber ich nicht! Außerdem könnte ich deine Hilfe brauchen.»
Seit meinem Unfall belagern neugierige Sammler die Galerie – eine weitere, unerwartete, positive Folge des schlimmsten Flugzeugabsturzes des Jahrzehnts.
«Dann sag mir, was ich machen soll, Himmel noch mal! Wie hast du es denn die letzten zwei Monate ohne mich auf die Reihe gekriegt?»
«Das ist unsere erste Ausstellung seitdem. Die Presse wird hier sein – Zeitungen, Magazine, Journale. So was Großes haben wir vorher noch nie gemacht. Es ist wirklich wichtig.» Sie steht kurz vor einem hysterischen Anfall, und auf einmal verstehe ich, weshalb ich hier alle Fäden in der Hand halte. Einfach weil sie es nicht kann.
«Und das war’s? Darum geht es, mehr nicht? Stress wegen unserer ersten Ausstellung? Es wirkt nämlich ein bisschen unverhältnismäßig für nur Stress vor einer Ausstellung.»
Das Windspiel meldet sich wieder, und wir gucken beide zur Tür. Anderson ist da und begrüßt gerade Peter.
«Ja, verdammt noch mal, das ist alles!» Ihr Blick bleibt kurz an den beiden Männern hängen, dann dreht sie sich wieder zu mir. «Und jetzt sag ihnen bitte, wo du die Weingläser stehen haben möchtest und wo der Schnaps hin soll, und dann bezieh Posten an der Tür. Die ersten Leute kommen schon!»
Sobald sie außer Hörweite ist, wende ich mich den Kellnern zu. «Es ist mir wirklich egal. Machen Sie es einfach so, wie Sie denken.» Dann springe ich zu Anderson und drücke ihm einen Kuss auf die Wange.
«Du hast dich ja hübsch rausgeputzt», sage ich.
«Ebenfalls.»
Peter legt mir den Arm um die Hüfte. «Kein heißes Date heute Abend? Ich meine, auf Seite sechs von deinem Frauenverschleiß gelesen zu haben?» Ein als Frage verpacktes Kompliment. Peter grinst und hebt die Hand, um abzuklatschen.
«Andy wieder gelandet!», verkündete die Schlagzeile vor drei Tagen und beleuchtete Andersons Heldentaten mit dem nächsten Model. Frei erfundene Heldentaten, wie er mir gegenüber beteuerte.
«Ach nein, heute Abend nicht. Ich bin zwar zu zwei Vorabpremieren eingeladen, aber, ehrlich gesagt, hätte ich zur Abwechslung gern mal einen Abend frei. Ohne die Szene, ohne den ganzen Wahnsinn.» Anderson hebt halbherzig die Hand, um Peters High Five zu erwidern. Aber es reicht nur für ein lasches Einschlagen, eine ziemlich traurige Zurschaustellung von Männlichkeit. «Ich bin viel lieber hier, um die Frau zu unterstützen, die mir das Leben gerettet hat.» Er macht eine weit ausholende Bewegung, als wäre er der Prinz und ich seine Gespielin, und wir grinsen beide angesichts dieser pompösen Geste.
«Wir fühlen uns geehrt, Euch hier zu wissen», sage ich geziert. «Ich postiere mich an der Tür», füge ich hinzu.
«Oh. Ein Gebiet, auf dem ich reichlich Erfahrung besitze», bemerkt er. «Türsteher, Rausschmeißer. Ich stehe dir bei.»
«Ihr findet mich an der Bar», sagt Peter.
«Das hier ist wohl nicht ganz dein Ding, was?», möchte Anderson wissen.
«Ich bin nicht der gesprächigste Typ», sagt er und senkt den Blick. «Früher habe ich mich immer gedrückt. Nicht … nicht, dass es dir was ausgemacht hätte», richtet er sich an mich. «Du hast dich sowieso lieber auf die Arbeit konzentriert, anstatt dich um mich kümmern zu müssen.»
«In Sachen Alkohol lege ich heute Abend zwar eine Pause ein, aber ich komme dich nachher trotzdem mal besuchen», versucht Anderson ihn aufzumuntern.
Ich klopfe Peter auf die Schulter, und er macht sich in Richtung Cocktails davon.
Wir stellen uns an die Tür und warten auf Stammkunden und Mäzene. «Es läuft ganz gut zwischen euch, oder?», fragt Anderson. «Es wirkt zumindest so.»
«Ziemlich gut sogar.» Und das stimmt. Wir sind zwar nicht Hals über Kopf ineinander verliebt, beileibe nicht, aber unser Verhältnis ist stabil . Wir arbeiten an einem Miteinander, und langsam scheint das, was meine Mutter mir an dem sonnendurchfluteten Nachmittag im Krankenhausgarten prophezeite, in Erfüllung zu gehen. Ich habe gelernt, ihm wieder zu vertrauen, vielleicht noch nicht von ganzem Herzen, aber doch so sehr, dass ich mir durchaus vorstellen kann, dass es eines Tages wieder so weit sein könnte. Dass ich eines Tages in der Lage sein werde, mich ihm ganz und gar hinzugeben. Es ist unwichtig, ob er früher zu diesen Veranstaltungen mitgekommen ist. Es ist unwichtig, dass ich ihn früher nie darum gebeten habe, dabei zu sein. Ich sehe mich verstohlen um. So glamourös es auch ist, und das ist es
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