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Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks

Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks

Titel: Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Mundson
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paar Zigaretten und raucht. Das ist neu. Neu für mich. Ich darf an etwas Geheiligtem teilhaben: Jungszeit. Denn so was macht er üblicherweise nur mit seinen Kumpeln. Mit ein paar Bieren und Tabak an einen Fluss fahren und seine
Fliegenschnur auswerfen und sogleich eine Cutthroat-Forelle fangen. Ich freue mich für ihn. Und zugegebenermaßen bin ich erleichtert, dass gerade ich seine Zeugin bin.
    »Hast du das gesehen!«, ruft er. Er ist einfach ein Junge, der jemand zeigen will, dass er einen Fisch gefangen hat. Auf Anhieb. Und einen hübsch großen noch dazu. Es hat etwas Besonderes, einem Mann dabei zuzusehen, wie er einen Haken aus dem Fischmaul entfernt. Ein bisschen so, wie eine Frau berührt werden möchte – mit Dankbarkeit und Respekt.
    Er wirft seine Schnur wieder aus und raucht.
    Ich lasse ein paar Steine übers Wasser hüpfen.
    Dann setzt er sich neben mich und macht etwas, das schon seit unserer Zeit in Boston ein Ritual zwischen uns ist. Etwas, das auch Teil unserer Verlobungszeremonie an dem Fluss in Washington war. Er legt einen herzförmigen Stein in meine Hand. Er ist rosafarben, glatt und nass, direkt aus dem Fluss, fast wie ein menschliches Herz.
    Ich ziehe ihn zu mir, küsse ihn und flüstere ihm zu, was wir uns schon seit zwanzig Jahren zuflüstern: »Alles wird gut.« Damit gehe ich zwar schon wieder ein gewisses Risiko ein, aber es fühlt sich richtig an. Er ist mein Kumpel, und wir entgehen gerade dem Zorn seiner nervigen Ehefrau und den schwierigen Anforderungen des Familienlebens, und wir verbringen Zeit zusammen, schwänzen ein bisschen hier am Fluss.
    »Es wird nicht gut«, sagt er. »Es wird absolut nicht mehr gut. Und dann … dann wird es wieder gut.«
    Ich werfe noch ein paar Steine und spüre meinen Magen mit ihnen hüpfen und auf den Grund des Flusses sinken. Was meint er mit »nicht gut«? Welches »nicht gut«? Seine Schwester? Unsere Finanzen? Unsere Ehe? Das bitte nicht. Bedeutet »wieder gut« für ihn, allein zu leben, geschieden? Und ich, na prima, auch allein? Glaubt er, das wäre eigentlich für uns beide besser?
Nein! Neinneinnein! Wer sollte denn dann hier am Fluss sitzen und Steine aufschichten und seinen Fisch bewundern? Können wir nicht einfach eine 180-Grad-Wende machen? Und wieder Freunde sein? Nett miteinander umgehen und unser Eheversprechen befolgen. Ohne irgendwelche Mythen und Podeste?
    Das muss nicht einmal schwer sein. Solange wir ehrlich zueinander sind. Jetzt werden wir ehrlich miteinander sein. Es gibt einfach keine Einmaligkeit. Wir sind gar nichts Besonderes. Wir glauben nicht mehr an Märchen. Wir sind nur hier in Montana und leben unseren wahren Charakter. In unserem spirituellen Adam- und Evakostüm. Der erste Tag des ersten Morgens. Wir sind Gefallene, aber wir müssen nicht verschämt davonlaufen. Wir können in diesem Garten bleiben, nicht wahr? Sofern der Garten ein Fluss wie dieser ist.
    Ich drücke den herzförmigen Stein in meiner Hand ganz fest.
    Unsere Herzen fühlen sich hier am Fluss schwer an. Der Stein auch. Und das Schwerste ist das Leid seiner Schwester. Dass sie wahrscheinlich gerade ihr letztes Lebensjahr durchlebt, während ihr geliebter Ehemann sich von ihr scheiden lässt. Damit muss sie sich dem Scheidungsverfahren und dem Krebs stellen … allein. Ist das nicht unfassbar? Und ihre fünf Kinder müssen zusehen, dass sie ihren Vater dafür nicht hassen. Er ist derjenige, der sie im Stich gelassen hat, und ausgerechnet ihn werden sie brauchen.
    Ich schneide das Thema an – ein weiteres Risiko. Aber es scheint mir wichtig, ihm zu sagen, was für eine maßgebende Rolle er für die Kinder haben wird. Als männliche Bezugsperson in ihrem Leben, an der Seite ihrer Mutter und an ihrer Seite und in Colorado präsent, um genau das unter Beweis zu stellen.
    Unterschwellig möchte ich ihn natürlich auch daran erinnern, wie zerstörerisch eine Scheidung sich auf Frau und Kinder
auswirkt, und daran, dass es genauso wäre, wenn er umsetzen würde, was er zu Beginn des Sommers angekündigt hat.
    Immerhin haben wir inzwischen Mitte August, und er ist immer noch da. Daher weiß ich nicht genau, was ich davon halten soll. Einmal gießt er den Pflaumenbaum, und im nächsten Augenblick verschwindet er mit seinen Kumpeln zum Fischen. Obwohl so etwas in letzter Zeit viel seltener vorkommt.
    »Es ist so gut, dass du nach Colorado fliegen wirst, um ihnen beizustehen. Den Kindern muss es doch das Herz brechen.«
    Meine Aktion schlägt fehl. Auf einmal

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