Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
mir behaupten darf.
Mein Mann sieht aus, als hätte er eine Wurzelbehandlung vor sich. Ich kann seine Gedanken lesen: Er fragt sich, wie wir ohne kühles Bier einen Tag am Fluss überstehen sollen. Er hat mir heute Morgen auch noch nicht in die Augen geschaut.
Er hat mir noch nicht zum Geburtstag gratuliert. Dafür hat er beide Kinder umarmt, Scherze mit ihnen gemacht, sie zum Lachen gebracht und ihnen zu verstehen gegeben, dass er ihr Held ist.
Ich weiß, dass er wütend über meinen gestrigen Auftritt ist. Dafür übernehme ich auch die Verantwortung. Oder habe es schon getan. Trotzdem reitet Sheila auf der Frage herum, welchen Eindruck eigentlich seine Vorstellungen in der Bar um zwei Uhr morgens hinterlassen. Ich versuche, sie zu beschwichtigen: Wir sind alle bloß Menschen. Wir bauen eben mal Mist. Wir machen alle mal schwere Zeiten durch. Das Leben ist kein Wunschkonzert.
Ich gebe also mein Bestes, um Sheila abzuwimmeln – soll sie doch ihre neunschwänzige Katze einpacken und sich ein anderes Opfer suchen. Heute ist mein verdammter Geburtstag! Und ich liebe meinen Geburtstag. Zumindest normalerweise.
Aus irgendeinem Grund hat es an diesem 23. August nur 18 Grad. Ich bin etwas zu leicht bekleidet. Mit einer kurzen Hose und einem ärmellosen Hemd, das ein wenig kurz ist, sodass ich dauernd daran ziehe, um meinen neuen kleinen Speckgürtel zu verstecken. Ich friere mir bereits den Hintern ab, aber ich sage es niemand, denn ich bin ja cool. Alle anderen beschweren sich sowieso. Ich bin jetzt ganz Montana-Mädel. Keine bibbernde Debütantin mehr. Ich komme doch wohl mit ein bisschen kühler Luft zurecht. Die wird mich sogar retten.
Ach Gott, wie gern wäre ich jetzt im Flanellpyjama zu Hause in meinem Bett. Dort möchte ich mit meinem Mann kuscheln und irgendeinen alten Film anschauen. Dazu vielleicht ein, zwei Geschenke auspacken. Nichts Großes. Eine Karte würde mir schon genügen. Normalerweise schreibt er »zwei Ballons«
auf meine Geburtstagskarte. Dieses Jahr nicht. Da hat es keine Karte gegeben. Und wie es aussieht, dürfte sich das auch nicht mehr ändern. Ich habe »gesündigt«. Eigentlich ist es ja das, was er von mir wollte. Ich habe ihm nur geliefert, was er sich gewünscht hat. Zum Teufel mit mir. Ich bin so eine Idiotin. Und ich brauche nicht mal Sheila, die mir das sagt.
Wenigstens haben wir eines gemeinsam: Wir reagieren auf dieses Szenario wie selbstverständlich auf die gleiche Weise.
Wir Leute aus Montana sind manchmal ein bisschen hochmütig wegen der Touristeninvasion und unserem Alltag an 365 Tagen im Jahr – mit Waldbränden, Lawinen, bitterer Kälte, schwarzem Eis, Grizzlybären und Berglöwen. Also reagieren wir hochmütig und distanziert, während die Guides den Touristen alberne Scherze und Anekdoten aus der Gegend und Halbwahrheiten erzählen. Die Touristen melden sich nervös zu Wort und stellen Fragen wie: »Können Grizzlybären schwimmen?«
Vor allem können wir es einfach nicht glauben, dass wir Helme tragen müssen. Aus Versicherungsgründen. Als ob wir solche Typen wären, die hinterher andere verklagen. Das scheint eine typische Großstadtseuche zu sein. Außerdem haben wir auf einem Fluss noch nie Helme getragen. Das ist doch wie ein Hawaiihemd auf einer Party mit Smoking und Abendkleid. Wir sind genervt.
Im Bus auf der Fahrt zum Fluss dreht sich meine Mutter dauernd um und sagt. »Ihr seht so elend aus. Warum seht ihr beide bloß so elend aus?« Aber sie dreht sich wieder zurück, bevor ihr einer von uns darauf antworten könnte.
Ich muss gestehen, dass ich auf diesem Teil des Flusses auch noch nie geraftet bin. Die Ausflüge, die ich mitgemacht habe, waren eher Floßfahrten, mit ein bisschen Fliegenfischen nebenbei, Picknicks am Ufer, einer Kühlbox Bier mit Freunden. Ich
habe gehört, dass es auf diesem Abschnitt einige Stromschnellen der Kategorie III geben soll. Aber ich habe auch gehört, es wäre viel harmloser als beispielsweise auf dem Colorado.
Als man mir also sagt, ich solle meine Schwimmweste strammziehen, grinse ich bloß und tue nur so. Das Gleiche gilt für den Helm. Ich befolge auch nicht den Rat, meine Sonnenbrille mit einem Band um den Hals zu sichern. Ich bin doch kein Idiot. Ich bin weiß Gott nicht unfähig.
Zu diesem Ausflug gehören drei Schlauchboote. Zu uns stößt noch ein Paar aus LA und deren zwei Kinder. Unsere Gruppe umfasst also den Guide, meinen Mann und mich, unsere Kids, meine Mutter und ihren neuen Mann sowie diese Familie aus
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