Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
Stromschnelle begriff ich als mein wahres Geburtstagsgeschenk. Das würde fortan mein Bezugspunkt sein. In Ehekrisen und auch sonst.
Als ich mir später am Auto einen Fleecepullover und eine Sporthose anziehe, kommt mein Mann dazu, um sich irgendwas aus dem Wagen zu holen. Da packe ich ihn und sage: »Gib mir mal eine verdammte Geburtstagsumarmung.«
Ich finde, an ihrem Geburtstag kann ein Mädchen das verlangen.
Er umarmt mich.
»Das war zum Fürchten«, sage ich.
Ich verteidige mich nicht und versuche auch nicht zu erklären, warum ausgerechnet ich aus dem Boot gefallen bin. Ich stehe einfach nur da, zittere und erlaube mir, an meinem Geburtstag missverstanden zu werden, während mein Mann mich umarmt. Und ich atme.
Gemeinschaft
Das Labor-Day-Wochenende.
Es ist trüb und kalt. Ich zwinge mich, den Konsum von Football- und Golf- und Tennis- und Box- und Baseball- und noch mehr Footballübertragungen in unserem Haushalt nicht zu kommentieren. Ich bin Realistin. Es ist, wie es ist. Und ich kommentiere auch nicht, dass mein süßer, bewundernswert sensibler achtjähriger Sohn gerade »Hau ihn weg, du Spasti!« in Richtung Mattscheibe brüllt, während er neben seinem Vater auf der Couch liegt und sich am Sack kratzt.
Dies ist einfach nicht der richtige Zeitpunkt, um mit dem Nachwuchs über diskriminierende Sprache zu reden oder darüber, was man mit seinem Körper nur dann macht, wenn man allein ist. Ich beschließe stattdessen, einfach gar nichts zu sagen. Weil ich weiß, dass mein Mann im Moment nicht nur keinen Job hat, sondern dass auch noch seine Schwester im Sterben liegt.
Wenn er da den Sport im Fernsehen als Droge braucht, dann sei’s drum. Dies ist einfach nicht der Zeitpunkt, um irgendjemand aufzufordern, sich von seiner besten Seite zu zeigen. Vor
allem, wenn ich genau weiß, dass genau das in Kürze von ihm verlangt werden wird.
Seine Schwester hat sich für eine klinische Studie in Chicago qualifiziert und möchte versuchen, daran teilzunehmen. Es geht darum herauszufinden, ob das Wachstum ihres Tumors sich stoppen lässt. Die Chancen sind minimal, dass dabei mehr herauskommt als eine kleine Hoffnung in dieser Zeit der Vorbereitung auf den Tod. Aber sie ist willens, es zu probieren. Vielleicht auch nur um der Hoffnung willen. Sie ist einfach bemerkenswert. Und ihre Hoffnung ist mir Inspiration.
Es wird darum gehen, ihr einen Herbst und möglicherweise auch einen Winter lang in diesem Prozess beizustehen, welche Richtung auch immer der nehmen mag. Er ist das Familienmitglied, das am nächsten wohnt, aber auch alle anderen sind bereit, sich voll und ganz einzubringen.
Die Wahrheit ist, dass, auch wenn er übers Internet nach einem neuen Job forscht, er im Moment eigentlich nichts weniger braucht. Denn selbst wenn man in ihrem Krebs keinerlei Sinn zu erkennen vermag, ergibt es doch einen Sinn, dass er unter so vielen ihr nahestehenden Menschen derjenige sein wird, an den der Ruf ergeht, sie zu unterstützen. Er ist gefordert.
Das hat ihn über Nacht verändert. Auf einmal ist wieder Verlass auf ihn. Er repariert Dinge, die schon lange defekt waren. Bessert abgeplatzte Farbe am Verandageländer aus. Andauernd ertappe ich ihn dabei, wie er in die Wälder starrt, als wolle er sich vergewissern, dass sich keine Bären oder Berglöwen auf unserem Besitz herumtreiben. Aber ich weiß, dass es darum gar nicht geht. Ich weiß, dass er wegen seiner Schwester verzweifelt ist. Es ist einfach nicht nachvollziehbar, warum sie diese seltene und aggressive Form von Krebs hat. Eine so großartige Frau. Der Inbegriff einer Mutter, Ehefrau,
Verfechterin eines gesunden Lebensstils, einer engagierten Nachbarin. Und noch nicht einmal fünfzig.
Ich weiß, dass er über sein eigenes Leben nachdenkt. Das Gefühl hat, seine Gesundheit und alles, was ihm zur Verfügung steht, nicht zu verdienen, insbesondere, da er in letzter Zeit so nachlässig damit umgegangen ist. Dennoch wünsche ich mir, dass er sieht, wie viel er uns über einen so langen Zeitraum gegeben hat, das nichts mit Geld zu tun hat. Obwohl er uns wohlgemerkt auch das gegeben hat. Ich frage mich, ob in seinen Augen die letzten sieben Jahre die ersten acht, in denen er finanziell so erfolgreich war, ausgelöscht haben. Damals liebte er seinen Job, war vor Ort so gut integriert. Er fühlte sich stark und geschätzt. Es ist, als hätte er die Soße in die verkehrte Richtung, gegen den Uhrzeigersinn, umgerührt und verstört.
Ich möchte, dass er nach vorne
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