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Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks

Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks

Titel: Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Mundson
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er dann auf einen Drink im Hanging Tree Saloon saß, hörte er, wie sich Aussteiger und Wanderer darüber unterhielten, ob unser Ort irgendwann für Skifahrer erschlossen würde. Als ich hierherzog, wollte er sofort wissen, ob es inzwischen dazu gekommen war.
    Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie oft ich seither das Stück Gehsteig zwischen den Stellen, wo sich einst das Cadillac und der Hanging Tree befanden, abgelaufen bin und daran gedacht habe, dass er als junger Mann dort entlanggegangen sein muss. Und schon immer empfand ich es als poetisch und zugleich als Ironie des Schicksals, dass die Brauerei, wegen der mein Mann hierherkam, exakt an der Stelle des Cadillac steht.
    Manchmal, wenn ich meinen Vater sehr vermisse, spaziere ich zum Güterbahnhof und sehe zu, wie die Wagons rangiert werden. Ich male mir aus, wie er aus dem Zug steigt und sich noch halb in Chicago fühlt, sich umsieht und beim Betrachten der Berge auf einmal die Kraft und Freiheit der Wildnis verspürt – an einem Ort, den seine Tochter eines Tages so gut kennen wird.

    Er war ein Träumer. Und ich bin mir sicher, dass diese zahlreichen mit dem Zug zurückgelegten Meilen einige seiner besten Träume heraufbeschworen, insbesondere sobald er die Berge erreichte. Die Berge sind gut für Träume. Vielleicht würde eines Tages ein erfolgreicher Geschäftsmann aus ihm. Vielleicht würde er in eine gute Gegend außerhalb der Stadt ziehen, eine hübsche Frau heiraten und erfolgreiche Kinder bekommen. Vielleicht würde eines von ihnen irgendwann sogar berühmt. Den letzten Satz versuche ich nicht zu denken, wenn ich neben dem Güterbahnhof stehe und meinen Vater vermisse.
    Er sah Carol Burnett oder Marie Osmond oder Carly Simon und sagte: »Das könntest du auch, Laura.« Er sah Jane Pauley und später Katie Couric und meinte wieder: »Das könntest du auch.« Und wenn er Julia Roberts sah, hörte ich erneut: »Das könntest du auch.«
    Als ich ihm im Laufe der Jahre immer deutlicher machte, dass ich gar nicht vorhatte, Fernsehmoderatorin oder Schauspielerin oder Sängerin zu werden, dann sah er jedes Mal enttäuscht drein. Seine Zeit lief ab, und immer noch keine berühmte Tochter und kein blauer Duesenberg, der inzwischen zum Symbol für eine ganz bestimmte Sache geworden war: Stolz. Mein Erfolg würde auch der seine sein.
    Schließlich erklärte ich am Eltern-Wochenende meines letzten Jahres am College klar und deutlich, dass ich Schriftstellerin werden wollte. Nein, nicht fürs Fernsehen schreiben. Oder für Werbeagenturen oder fürs Kino. Nein, auch keine Autorin von Kriminal- oder Liebesgeschichten. »Nein, Dad. Ich werde Belletristik schreiben. Literarische Texte. Ich werde davon schreiben, was zwischen den Menschen passiert. Ich glaube, dass das den Leuten helfen kann. Ich habe so viel, das ich sagen möchte. Und du weißt doch, dass ich eigentlich
schon als kleines Mädchen mit dem Schreiben angefangen habe. Mein erstes Tagebuch habe ich in der vierten Klasse begonnen. Mit elf habe ich meinen ersten Gedichtband verfasst. Endlich habe ich herausgefunden, was ich sein möchte.«
    Doch er nahm es mir nicht so recht ab.
    Meine Mutter war eher indifferent. Sie war aber auch nicht diejenige, die mich berühmt sehen wollte. Letztlich, so denke ich, wünschte sie sich einfach eine Tochter, mit der sie sich verstand.
    »Wie wäre es denn mit der Schauspielerei?«, beharrte er. »So wie Julia Roberts. Du weißt doch, dass du mindestens so gut …«
    »Ich will aber nicht den Rest meines Lebens damit verbringen, mir Sorgen um mein Aussehen zu machen. Was für ein Leben soll das denn sein? Ich will auch keinen Beruf, in dem man fallengelassen wird wie eine heiße Kartoffel, sobald man die Mitte seines Lebens erreicht hat. Es sei denn, man ist Meryl Streep.«
    »Also, du bist doch hundertprozentig so gut wie Mer …«
    »Dad. Ich möchte Schriftstellerin werden. Ich möchte etwas tun, das nicht per se glamourös ist. Etwas, das meinem Wesen am besten entspricht. Das mir auf Dauer Integrität ermöglicht.« Ich erinnere mich, all diese Dinge mit Tränen der Leidenschaft in den Augen vorgebracht zu haben. Wie man sieht, war ich also vom Schreibfieber befallen worden. Aus heiterem Himmel.
    Ich hatte feste Pläne, als ich mich für meinen Abschluss im Fach Film für den Kurs Drehbuch anmeldete. Doch als der Lehrer uns aufgab, eine dreißigminütige Szene zu schreiben und ich es rastlos und schlaflos mit Mühe schaffte, ein abendfüllendes Stück zu verfassen –

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