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Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks

Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks

Titel: Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Mundson
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georgianischen Stil und trat dann mit einem Grinsen durch die Küchentür. »Weißt du eigentlich, was für ein Glück wir haben?« Und dabei küsste er meine Mutter auf die Wange.

    Mein Vater war ein Autonarr. Er liebte solide amerikanische rote Cabriolets. Und er besaß auch eines, solange er noch Junggeselle war, bis es der praktischen Vernunft meiner Mutter zum Opfer fiel. Danach war er in Sachen Automobile im Prinzip zu Kombi-Limousinen verdammt. Gesprochen hat er aber nach wie vor von seinem Traum: einem blauen Duesenberg.
    Er liebte es, nach der Gartenarbeit auf der Terrasse hinterm Haus zu sitzen und eine Cola zu trinken. Ich leistete ihm Gesellschaft und ließ meine kleinen, knubbeligen, aufgeschlagenen Knie von unseren Gartenmöbeln der Marke Brown Jordan baumeln (wir besaßen solche, die auf der Rückseite der Oberschenkel ein Streifenmuster hinterlassen). Dann sagte er gern: »Eines Tages, Laura, wenn du berühmt bist … dann wünsche ich mir von dir einen blauen Duesenberg aus dem Jahr 1930. Mit Weißwandreifen.«
    Was ich daraufhin empfand, reichte von Verlegenheit bis Erwartungsdruck, weil ich hoffte, in dem, was später einmal mein Beruf wäre, gut genug zu sein, um meinem Vater – nur ja – bloß diesen Duesenberg schenken zu können.
    In einem Jahr gab ich zu seinem Geburtstag mein Bestes. Ich schnitt ein Foto von einem blauen Duesenberg aus einer seiner Oldtimer-Zeitschriften aus. Dann suchte ich mir in der Garage ein altes Stück Holz und schnitt daraus mit einer rostigen Handsäge eine passende Form zurecht. Auf sie klebte ich das Foto und überzog das Ganze mit Klarlack. Dann schrieb ich mit Kreide noch auf die Rückseite: »Hier hast Du Deinen blauen Duesenberg. Vorläufig. Mehr folgt in Kürze.«
    Nachdem mein Vater gestorben war, räumte meine Mutter sein Büro in Downtown Chicago aus. Er hatte bis zum Tag seines Schlaganfalles gearbeitet und war einen Monat später im Alter von 86 Jahren gestorben. Sie schickte mir einige
Andenken von den Wänden und seinem Schreibtisch, aus den Schubladen und seiner Aktentasche. Einige Kurzgeschichten von mir, was mich überraschte, denn mein Vater war kein leidenschaftlicher Leser gewesen. Einen Kirchenzettel mit dem Text einer Predigt – mein Vater schwärmte für »gute presbyterianische Predigten«. Wenige Fotos, die ich von ihm gemacht hatte – eines davon auf einem Pferd in Wyoming, als er zum letzten Mal geritten war. Und das mit dem Duesenberg beklebte Holzstück, das er fast dreißig Jahre lang als Briefbeschwerer benutzt hatte.
    Nun liegt es auf dem Tisch, an dem ich schreibe. Immerhin war es ja mein Vater, der mir die Vorstellung in den Kopf gesetzt hat, ich könnte eines Tages jemand wirklich Bedeutender sein. Wegen ihm strebe ich immer noch jeden Tag danach.
    Das war ein Segen. Und auch ein Fluch. Denn wie soll man sich danach noch mit einem unbedeutenden Leben zufriedengeben? Wie könnte man seinen Vater enttäuschen? Wie hält man es aus, erst der Liebling seines Vaters zu sein und es letztlich nicht weiter gebracht zu haben, als zu einer irgendwie gescheiterten Existenz in einem Bauernhaus in Montana mit einem Stapel unveröffentlichter Romane im Schrank und viel zu sagen, das aber den Leuten offenbar egal ist, die Autoren so berühmt machen, dass diese es sich leisten können, ihren Vätern Duesenbergs zu kaufen. Selbst wenn sie längst gestorben sind.
    Als ich beschloss, Schriftstellerin zu werden und mit einem Mann nach Westen zu ziehen, der nicht das geringste Interesse an Hedgefonds zu haben schien, da machte mein Vater sich Sorgen um mich.
    Mir gefiel es damals, dass mein Vater sich sorgte.
    Und zwar weil ich wusste, dass es ihm insgeheim doch gefiel. Nämlich mit dem Teil seines Wesens, der sich auch
sicher war, ich würde berühmt. Der mich berühmt sehen wollte. Der wollte, dass ich wie seine Mutter mein vertrautes Umfeld verließ – nichts anderes hatte schließlich auch er als junger Mann getan, als er seine kleine Industriestadt verließ, um auf die Harvard Business School zu gehen und von dort schließlich an die noble North Shore of Chicago zu ziehen.
    Es gab noch einen Grund, warum er unsere kleine Stadt in den Bergen mochte: weil der Zug hier durchfuhr. Der Empire Builder von Chicago nach Seattle. Als junger Mann – Jahre vor seiner Hochzeit, Jahre vor meiner Geburt – war er die Strecke oft gefahren. Er stieg aus, um dem Vorsteher des Güterbahnhofs einen Besuch abzustatten und logierte im alten Hotel Cadillac. Wenn

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