Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
gibt. Damit, was in diesem Moment und im weiteren Verlauf ihres Lebens mit ihr passiert.
»Ich kann sehen, dass du deine Arbeit liebst. Und das ist es, was zählt«, sagt er.
»Stimmt. Deshalb mache ich auch weiter. Ich liebe das Schreiben.« Ich muss an meinen Mann denken. Was liebt er eigentlich? Ich dachte, ich wüsste es.
»Du musst mit deinem Ehemann wiederkommen«, sagte mein italienischer Vater, als hätte er meine Gedanken gelesen.
»Vielleicht war es besser, diese Reise ohne ihn zu machen. Das ist etwas sehr Persönliches. Ich habe so lange darauf gewartet. Außerdem wollte er sowieso nicht mitkommen.«
Er lächelt und zündet sich eine Zigarette an. Er kennt die Männer.
Ich frage ihn, was sein Geheimnis ist – für eine so lange, liebevolle Ehe.
Er steht langsam auf und legt mir eine Hand auf den Rücken. Dabei wirkt es fast so, als würde er sich einer Anziehungskraft ergeben, die er beständig spürt und die ihn in seine von Rosmarin- und Weinstöcken fast zugewachsene Werkstatt lockt.
Stumm führt er mich unter dem Türstock durch und drückt dabei wie ein Polizist bei einem Delinquenten leicht meinen Kopf nach unten. Dann stehen wir in der kleinen Hütte, die randvoll mit Werkzeugen ist. Die Männer in seiner Familie arbeiten schon seit vier Generationen als Kunstschmiede. Ich fühle mich geehrt, denn ich selbst lasse nur selten jemand in meine Werkstatt.
Gleichzeitig bin ich fasziniert. »Gerade schreibe ich an einem Buch, in dem eine der Figuren ein Schmied ist. Die Geschichte spielt vor vielen, vielen Jahren im Westen der USA. Vielleicht kannst du mir bei einer Sache helfen, mit der ich nicht so gut zurechtkomme.«
Damit hat er nicht gerechnet. Er hat zwar schon die unterschiedlichsten amerikanischen Mädchen erlebt, die sich allesamt für Italien interessierten, doch nach Metallverarbeitung
hat ihn noch keine gefragt. Er legt den Kopf schräg – was für seine Verhältnisse schon eine große Geste ist.
»In meinem Buch verliert der Held seinen Verstand, wird … pazzo , und um zu beweisen, dass er noch okay ist, beginnt er, den Anfangsbuchstaben ›P‹ in den Kopf jedes einzelnen seiner handgeschmiedeten Nägel zu hämmern. Ist das überhaupt machbar? Ich hoffe es zumindest, denn das ist eine wichtige Stelle in meinem Buch, und eine, die ich sehr mag.«
Da tritt er an ein Regal und nimmt ein Glas herunter – ein Einweckglas, das wie in meinem Buch voller Nägel ist. Ich halte es, während er noch nach einem Werkzeug kramt. Er drückt es mir in die Hand, und ich sehe, dass es ein Stempel ist. Mit einem R. Dem Anfangsbuchstaben seines Familiennamens.
»Das braucht man, damit die Liebe zur Ehefrau bestehen bleibt«, sagt er und sieht sich in seiner Werkstatt um. »So wie du deine Bücher.«
Jetzt bin ich diejenige mit Tränen auf den Wangen. Denn mir wird klar, dass meinem Mann momentan die Leidenschaft für seine Arbeit fehlt.
Dann ist der Gesang eines Vogels zu hören, und er schaut auf.
Ich sehe mich ebenfalls suchend um. Menschen, die auf Vögel achten, lauschen alle in derselben Sprache und immer im Präsens. Es scheint mir nur folgerichtig, dass auch er ein solcher Mensch ist.
»Eine Nachtigall«, sagt er. Usignolo . »Wie Florence Nightingale. Sie wurde hier geboren, weißt du. Daher hat sie ihren Namen. Ihr Grab befindet sich in Santa Croce.«
Ich halte die Nägel in meinen Händen und bin mir sicher, dass auch ihr jemand eine mit Walnüssen gespickte Feige zu essen gegeben hat, als sie noch ein junges Mädchen war.
»Was ist dein Mann von Beruf?«, fragt er und verräumt einige Werkzeuge.
»Früher war er Leiter einer Brauerei. Das liebte er. Aber jetzt vermittelt er Leuten Jobs. Und diese Arbeit mag er nicht. Er ist nicht glücklich. Das ist ihm irgendwie … nicht handfest genug«, sage ich und umklammere das Glas mit den Nägeln, während ich an meinen Schrank voller Manuskripte denke.
»Männer brauchen ihre Arbeit.«
Am liebsten würde ich sagen: Stimmt schon, aber ich bin eine Frau, und ich brauche meine Arbeit auch . Allerdings habe ich hier einen altmodischen Italiener vor mir. Also gebe ich ihm eine altmodische italienische Antwort. Die Ehe ist schließlich auch etwas sehr, sehr Altmodisches.
»Aber sie brauchen doch auch ihre Frauen, nicht wahr?«
Er lächelt. »Natürlich.« Certo . Und dann umarmt er mich, wie man eine Ehefrau umarmt, die gerade Anzeichen für Beziehungsprobleme zeigt.
»Ich bin mir sicher, dass du eine gute Ehefrau bist«, sagt er.
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