Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
mich wütend zu machen. Dann kann er in die Rolle des Opfers einer zänkischen Ehefrau schlüpfen. Er möchte offenbar sein Sündenregister erweitern, das – wie auch das meine – so unspektakulär ist, dass man damit keinen noch so bescheidenen Seifenopernfan hinter dem Ofen hervorlocken könnte. Ich schätze mal, wir sind eher der gewöhnliche Morgenradiohörer-Typ. Wenn Sie echtes Drama wollen, müssen Sie also doch den Fernseher einschalten. Aber so etwas erwarten Sie von mir doch ohnehin nicht, oder? So gemein würden Sie doch niemals sein, nicht wahr? Sie sind doch meine Freundin, ja? Und Freunde spionieren schließlich nicht die Verfehlungen der anderen aus, habe ich recht? Sie vergeben und vergessen. Wie Ehemänner. Und Ehefrauen. Sie wissen, was sie etwas angeht und was nicht. Stimmt’s?
Außerdem denke ich nicht in Kategorien wie »Sünde«. Nicht in meiner Ehe. Und nicht in diesem Buch. Meine Philosophie, meine Botschaft lautet eher, dass man versuchen sollte, verantwortlich und gesund mit dem zu leben, was ist . Erinnern Sie sich? Wir wollten ja nicht parteiisch sein. Sie und ich. Mein Ehemann und ich. Hier und Jetzt.
Und in diesem großen Raum, der genügend Luft zum Atmen lässt, bin ich an diesem Tanz, den er da gerade vollführt, nicht beteiligt. Vielleicht an dem größeren, der unsere Ehe umfasst, doch diesen speziellen kann ich auslassen.
Ich kann mich dafür entscheiden, hier drüben sitzen zu bleiben und zu versuchen, mich auf meine Angelegenheiten
zu konzentrieren, getreu meinem Vorsatz, nicht zu leiden. Dagegen anschreiben, wenn Benommenheit oder Panik mich erfassen wollen, egal, ob dieses Buch je den Weg an die Öffentlichkeit finden wird. Zumindest kann ich es auf meinen Nachttisch legen. Und das brauche ich immer dringender.
Heute Morgen kommt mein Mann in mein Arbeitszimmer. Er fragt mich, ob ich nicht den Rest des Sommers mit den Kindern bei guten Freunden in deren Sommerhaus in Wisconsin verbringen möchte. Das wäre die beste Lösung, die ihm eingefallen ist, damit die Kinder nicht den Eindruck bekämen, er würde uns im Stich lassen.
Ich erwäge es. Schaue, ob mir dieser Vorschlag passt. Wie ein Kleidungsstück probiere ich ihn an. Immerhin bedeutet er, dass er eingesehen hat, wie die Kinder es auffassen würden, wenn er auszieht. (Wie ich mich fühle, wollen wir erst einmal außer Acht lassen.) Und er scheint erkannt zu haben, dass fortzubleiben und nicht anzurufen und einfach nicht nach Hause zu kommen unseren Kindern die falsche Botschaft vermittelt.
Trotzdem ist an seinem Vorschlag, ich solle mit den Kindern das Feld räumen, irgendetwas faul.
»Ich habe meine Traumreise gerade hinter mir. Ich bin vor Kurzem erst wieder nach Hause gekommen. Hierher. Ich fühle mich stark und gelassen. Kann mich um mich und unsere Kinder kümmern. Außerdem möchte ich den Sommer gern in Montana verbringen. Mein Pferd reiten und im Garten arbeiten und schreiben. Du hast Probleme, also fahr du.« Ich erkenne, dass das noch ein Kampf mit sehr harten Bandagen werden wird, dessen Ausgang alles andere als gewiss ist.
Trotzdem rufe ich meine Freundin in Wisconsin an. Es erscheint mir wichtig, verschiedene Optionen zu haben. Rettungsleinen. Ich erzähle ihr, was los ist. Sie ist der erste Mensch,
dem ich mich anvertraue, denn darüber zu reden heißt, es offiziell zu machen.
»Natürlich kannst du kommen. Aber ich finde, dass du recht hast, wenn du darauf beharrst zu bleiben. Das ist schließlich auch dein Zuhause. Ich würde ihn hochkant rausschmeißen.«
»Das ist aber nicht meine Strategie«, sage ich. »Ich will diese Krise durchstehen. Versuchen, die Nerven zu bewahren. Ich bin mir nur nicht sicher, welche Forderungen ich stellen kann. Etwa … wenn er nachts nicht nach Hause kommt. Und auch nicht anruft.«
Ich höre, wie sie am anderen Ende der Leitung vor Wut schäumt. »Ich sage dir, was du fordern kannst! Du kannst fordern, dass er verdammt noch einmal erwachsen wird und Verantwortung übernimmt!«
»Stimmt, aber das kann er im Moment eben nicht. Er hat vollkommen den Überblick verloren. Erst mal muss er mit sich selbst klarkommen, bevor er sich um uns kümmern kann. Ich habe ihm geraten, zum Tauchen nach Australien zu fahren, was er ja schon immer einmal tun wollte.«
»Okay, und was hat er gegen den Trip einzuwenden? Warum kann er das nun wieder nicht?«
»Er sagt, es sei zu teuer. Aber wenn er wirklich wollte, würde er es schon hinkriegen. Ich glaube allerdings, dass er sich
Weitere Kostenlose Bücher