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Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks

Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks

Titel: Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Mundson
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böse Zwillingsschwester Sheila .«
    Sie lacht. »So eine hatte ich auch. Die Pferde haben mir geholfen, sie loszuwerden. Ich denke, wir sind selbst unsere unerbittlichsten Richter.«
    »Ich weiß. Ich habe in letzter Zeit ziemlich viel über das Urteilen nachgedacht. Auch über Freiheit und das wahre Selbst. Das Leben im Hier und Jetzt. Ich liebe die Natur Montanas.
Mir kommt es vor, als würde sie von uns verlangen, ganz in der Gegenwart zu leben. Denn sie ist so schön und gefährlich und wild. Das merkt man vor allem beim Reiten. Vor allem, wenn man mit dir unterwegs ist.« Als der Wald sich lichtet und in eine Wiese übergeht, reite ich mit meinem Pferd an ihre Seite. Vor uns steht eine alte, verfallene Scheune im Licht der untergehenden Sonne. Daneben ein Gewirr aus Stacheldraht und ein verrosteter alter Traktor. Das sieht aus, als hätten sich die dazugehörigen Menschen nachts unbemerkt davongemacht. Wieder einer von diesen Momenten.
    Sie beugt sich über die Mähne ihres Arabers und tätschelt seinen Hals. »Ist das nicht wunderbar, dass wir aus so verschiedenen Welten kommen und so enge Freundinnen sind? Ich urteile nicht über dich, du urteilst nicht über mich. Weil wir uns hier treffen.« Sie legt eine Hand auf ihr Herz. Menschen, die einem anderen Menschen in die Seele schauen, bemerken keine Zäune.
    »Weil wir auf demselben Pfad unterwegs sind.« Ich weine schon wieder und spiele mit der Mähne meines Pferdes. »Mein Vater hat immer gesagt: Die Menschen sind überall gleich.«
    »Woher du kommst, sagt nichts darüber aus, wie liebenswert du bist, Laura.«
    Liebenswert. Der Liebe wert. Oder von Scham erfüllt. Ich kam her, um heiter und dankbar zu sein, doch intuitiv hat meine Freundin mich an den Altar meines Schmerzes geführt. Mich auf die Knie gezwungen. Und sie hat meine schlimmste Angst dieses Sommers ausgesprochen: Dass mein Ehemann mich tatsächlich nicht mehr für wert hält, geliebt zu werden.
    Ich möchte ihr von ihm erzählen. Berichten, wie ungeliebt ich mich fühle. Doch stattdessen sage ich nur: »Ich glaube, das war genau der Moment, als ich das Gefühl hatte, ganz ich selbst
zu sein, an jenem Tag auf dem Reitausflug. Und ich habe mich wie eine echte Bewohnerin von Montana gefühlt. Danke dafür.« Ich strecke meine Hand nach ihrer aus und halte sie ein bisschen länger, als man das für ein normales Dankeschön täte.
    Sie hält sie ganz fest.
    Dieser Händedruck macht mich glücklich. Und zwar nicht nur als ein Schritt raus aus meinem Kummer, sondern richtig glücklich. Wenn das Herz sich weit öffnet und man meint, ein wenig zu fliegen.
    Später, als wir wieder am Stall angekommen sind, bedanke ich mich noch für den heutigen Ausritt und – aber das weiß sie sowieso –, für diesen Glücksmoment. Ich schaue noch sehr lange in die Augen meines Pferdes, bevor ich mich auf den Heimweg mache.
    Doch mein Glück währt nicht lange. Eigentlich nur ein paar Meilen auf der Landstraße. Es scheint, als würde meine Windschutzscheibe mich verhöhnen – die für Montana üblichen von Steinschlägen verursachten spinnennetzartigen Risse erinnern mich hämisch an den Zustand meiner Ehe. Und als ich in unsere Zufahrt einbiege, muss ich erst einmal eine Weile an der Wiese bei den Briefkästen stehen bleiben und versuchen, mich durch gutes Zureden von der Klippe des gewaltigen Leids zu entfernen. Denn das macht mich wirklich verrückt: Es ist, als würde man jemand beim Ertrinken zusehen, obwohl man weiß, wo der Rettungsring ist. (Ich weiß – Die Sucht gebraucht zu werden . Ich habe das Buch gelesen.) Doch irgendetwas tief in meinem Innern glaubt nicht, dass man jemand nicht helfen kann, indem man darauf beharrt, dass er sich um eine Form von intensiver, professioneller Selbsthilfe bemüht.
    Zugleich weiß ein tiefer liegender, weiserer, vom Reiten inspirierter Teil von mir, dass die Menschen selbst darauf
kommen müssen, was gut für sie ist. Sonst wäre es auch nicht von Dauer. Wenn es wirklich authentisch und nicht nur eine Gefälligkeit sein soll oder gar eine Lüge. Ich will keinen Ja-sager als Mann. Einen, der sich mir in allen Bereichen unterordnet – nach außen hin. Der den Mythos »Ich bin doch ein lieber Junge« bedient. Und ich will auch nicht in die Rolle gedrängt werden zu urteilen, wer gut und wer böse ist. Denn unterm Strich weiß ich, was aus den lieben Jungs wird. Sie verwandeln sich in böse. Außerdem möchte ich sowieso keinen lieben Jungen. Ich möchte einen Partner

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